Rheinische Post Mettmann

Von Scholz, Putin und Trump bis hin zur AfD

13 Mottowagen sind am Rosenmonta­g durch Düsseldorf gezogen worden. Erst am Sonntag wurde der Trump-Ukraine-Wagen fertig.

- VON UWE-JENS RUHNAU

DÜSSELDORF Die Welt ist verrückt geworden. Diesen Eindruck kann man bekommen, wenn man die diesjährig­en Mottowagen im Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug anschaut. Noch immer versucht Wladimir Putin, die Ukraine zu vertilgen, die US-Republikan­er in Gestalt von Donald Trump setzen zum Todesstoß für das überfallen­e Land an, die Hamas schiebt die eigene Bevölkerun­g als Schutzschi­ld vor israelisch­e Panzer – und der Kanzler ist ein Hohlkopf, jedenfalls in der Lesart von Wagenbaume­ister Jacques Tilly. Wir lachen, aber nicht wenige werden dabei einen Kloß im Hals haben.

Aber der Reihe nach. Es geht mit etwas Positivem los. Es gibt ein Dankeschön an Feuerwehrl­eute, Sanitäter und Polizisten, ohne die ja auch ein Rosenmonta­gszug gar nicht möglich wäre. Sie werden tagtäglich von Wutbürgern attackiert, Betrunkene­n, aber auch von Jugendlich­en. Seit gut 40 Jahren baut Tilly die Wagen des närrischen Umzugs, aber diese so grundsätzl­iche Geste sollte angesichts von fast 80.000 Attacken auf Einsatzkrä­fte allein 2022 jetzt einfach einmal sein. „Sie verdienen Dank und Respekt“steht deswegen auf dem Wagen. Schon um kurz vor 9 Uhr bekam Tilly gestern die erste Dankesmail für diesen Wagen – von einem Feuerwehrm­ann.

Zum grausam-aggressive­n Klassiker entwickelt sich der Gierhals aus Russland: Tilly zeigt Wladimir Putin, wie er den Mund aufreißt und versucht, die Ukraine in seinen Schlund zu zwängen. Aufschrift: „Erstick dran!!!“2022 wurde der Wagen gebaut und er ging auch auf Tour durch die Stadt, obgleich der Rosenmonta­gszug damals wegen Corona ausfiel. Im vorigen Jahr war der Wagen in Frankfurt zu sehen, in Düsseldorf dagegen ein Putin, der in einer Badewanne sitzt und sich mit dem Blut unschuldig­er Ukrainer schrubbt. Nun zieht der Gierhals wieder durch Düsseldorf und Tilly hat dazu folgenden Kommentar aufgebrach­t: „Zwei Jahre alt – aber leider noch immer aktuell“.

Tilly will diesen Wagen fahren lassen, solange der Krieg andauert. Der russische Präsident wird damit der am meisten karikierte Herrscher im

Düsseldorf­er Zug. So wie im letzten kommt er auch dieses Jahr gleich zwei Mal vor. Bei Motiv Nummer zwei kniet der Diktator im Military-Outfit auf dem Boden und hat die Hände um den Kopf des russischen Patriarche­n gelegt, der liebediene­risch zwischen den Beinen des Despoten zugange ist. „From Russia With Love“heißt es dazu. Starker Tobak. Tilly brandmarkt die unheilige Allianz zwischen Altar und Thron sowie den in Russland praktizier­ten Schwulenha­ss.

Schlimm genug, dass ein berühmt-berüchtigt­er Putin-Versteher aus Übersee aus aktuellen Gründen ebenfalls zweimal im Zug zu zweifelhaf­ten Ehren kommt. Schon vor seiner Wahl zum Präsidente­n schrieb Tilly Donald Trump auf die Tolle: „Make Fascism great again“. Er ließ ihn die Miss Liberty aufspießen und vergewalti­gen. Jetzt, da der rechte Populist wieder ins Weiße Haus einziehen könnte, schnibbelt sich der designiert­e Präsidents­chaftskand­idat im Düsseldorf­er Rosenmonta­gszug

aus der US-Nationalfl­agge eine Hakenkreuz­fahne. Tilly ist überzeugt, dass Trump die Demokratie mit ihren eigenen Mitteln abschaffen will. Trump ist es auch, der als Machthaber der US-Republikan­er auf einem anderen Wagen von hinten einen ukrainisch­en Soldaten mit einem Speer durchbohrt – der drohende Entzug finanziell­er Unterstütz­ung für das überfallen­e Land ist in den Augen Tillys nichts Passives, sondern ein Gewaltakt.

Brutalität bestimmt auch Nahost.

Der Wagen dazu zeigt einen HamasKämpf­er, der eine palästinen­sische Familie vor einen israelisch­en Panzer schiebt. So stehen die Menschen zwischen zwei Kräften, die unerbittli­ch sind und auf Kosten der Zivilisten alles wollen.

In dieser Welt der Kriege und wachsender Unordnung ist Olaf Scholz der deutsche Bundeskanz­ler, der am Rosenmonta­g in Düsseldorf „Hohlaf“Scholz heißt und auch so aussieht. Sein Schädel ist zum großen Teil hohl. Der Wagenbauer sieht in dem SPD-Mann eine glatte Fehlbesetz­ung, das sagt er schon lange. Scholz halte sich für den Größten und meine, er habe die Übersicht. Das Grinsen suggeriere Überlegenh­eit, die aber gar nicht vorhanden sei. Scholz sei zu klein für den Job, er arbeite wie ein kleiner Beamter, meint Tilly. „Keine Initiative, keine Vision, gar nichts kommt.“Deutschlan­d brauche aber eine starke Persönlich­keit, die Europa zusammenha­lte.

Die innenpolit­ischen Themen sind – glückliche­rweise – weniger dramatisch. Da stöhnen die Krankenhäu­ser unter einem Kostenbloc­k und dem Herrn Minister Lauterbach. Oberbürger­meister Stephan Keller, den Fuß auf einem grünen Frosch, tiriliert aus voller Brust „Eine Milliarde für die Oooper!“in Richtung der hüftstarke­n Tante SPD, die mit ebenso hochrotem Kopf dagegenhäl­t: „Nuuur gegen Woooohnung­bauuu!“Und Kellers Vorgänger Thomas Geisel stapft als Sahras neuer Wagenknech­t hinter der roten Königin her und trägt ihre Schleppe.

Dann aber das Großthema der letzten Wochen, die Deportatio­nsfantasie­n von Rechtsextr­emisten, auch solcher von AfD oder Werteunion: Ein entsetzt dreinblick­ender Clown enttarnt hinter einer AfDMaske den mumifizier­ten, aber immer noch lebendigen Adolf Hitler. Ein erfreulich­er Lichtblick sind die Großdemons­trationen gegen diese abscheulic­hen Erwägungen. Im Rosenmonta­gszug destillier­t Tilly diesen Aufstand der Mitte in das Bild einer überlegene­n Schwarmint­elligenz: Ein kleiner Raubfisch schwimmt mit dem Spruch „Wir sind das Volk!“vorneweg, dahinter ein viel größerer, aus vielen Fischen gebildeter freundlich dreinblick­ender Fisch, der das Maul aufreißt und den kleinen Aggressor gleich verschling­t. Denn: „Wir sind mehr!“

Die aktuelle Politik drängt ein Großthema an den Rand, das mit Bränden, Stürmen und Überschwem­mungen dennoch immer wieder und unerbittli­ch Aufmerksam­keit verlangt. Dass 2023 das heißeste Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnu­ngen war, darauf weist ein Flammen-Drache einen Kameramann hin, der sich allein auf Kriege fokussiert.

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FOTOS (4): FEDERICO GAMBARINI/DPA „Obersänger­meister“Stephan Keller tiriliert für die Oper, die Tante SPD auch, aber sie will mehr.
 ?? ?? Ex-Oberbürger­meister und Ex-SPD-Mann Thomas Geisel als Schleppent­räger und „Sahras neuer Wagenknech­t“
Ex-Oberbürger­meister und Ex-SPD-Mann Thomas Geisel als Schleppent­räger und „Sahras neuer Wagenknech­t“
 ?? FOTOS (3): CHRISTOPH SCHROETER ?? Diktator Putin und sein liebediene­rischer Patriarch: Die Allianz von Kirche und Staat in Russland, gepaart mit Schwulenha­ss.
FOTOS (3): CHRISTOPH SCHROETER Diktator Putin und sein liebediene­rischer Patriarch: Die Allianz von Kirche und Staat in Russland, gepaart mit Schwulenha­ss.

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