Worringer Platz: Der Zaun ist rechtens
Die Absperrung darf bleiben – das hat das Düsseldorfer Oberlandesgericht entschieden. Der umstrittene Zaun einer Pizzeria habe den Platz zwar stark verändert, doch das habe die Stadt so gewollt.
DÜSSELDORF Der Zaun auf dem Worringer Platz ist rechtens und muss nicht abgebaut werden. Das hat das Oberlandesgericht in Düsseldorf am Donnerstag verkündet. Die Berufung der Klägerin – der Architektin des Platzes – wurde zurückgewiesen.
Die Architektin Christiane Voigt hatte gegen den Zaun geklagt, da sie ihr Urheberrecht verletzt sah. Sie wollte einen Ort der Begegnung schaffen, doch die Absperrung widerspreche diesem Ansatz. Der verklagte Gastronom Hassan Akgüvercin hatte den strittigen Zaun um die Terrasse seines Lokals gezogen – mit Genehmigung der Stadt Düsseldorf, die Eigentümerin des Platzes ist. Er wollte sein Geschäft und seine Kundschaft vor Drogenabhängigen und Obdachlosen schützen, so die Argumentation.
Das Oberlandesgericht hat nun für den Zaun entschieden. Die Begründung: Die Architektin sei zwar Mit-Urheberin des Platzes und dieser habe auch einen gewissen künstlerischen Wert, sagt Erfried Schüttpelz, Leiter des Senats. Anders als das Landgericht geht das OLG zudem davon aus, dass der Zaun das künstlerische Konzept stark beeinträchtigt. Die Idee eines frei zugänglichen Platzes sei nicht mehr gegeben.
Doch die Stadt als Eigentümerin habe mit der Baugenehmigung für den Zaun einen bestimmten Zweck verfolgt: soziale Kontrolle. Der Worringer Platz sei zweifelsfrei ein Drogentreffpunkt, sagt Schüttpelz. Ein Teil des Geländes sollte darum für Drogenabhängige nicht mehr zugänglich sein, um einem anderen Publikum einen „halbwegs ungestörten Aufenthalt“zu ermöglichen. Dieses Ziel der Stadt müsse man beachten – und zwischen den Interessen der Stadt als Eigentümerin und der Architektin als Urheberin abwägen. Die Entscheidung sei schließlich zugunsten der Stadt und somit für den Zaun gefallen. Das Interesse an sozialer Kontrolle überwiege also das Interesse an der Urheberschaft.
Ob der Zaun auf dem Worringer Platz als ordnungspolitisches Instrument sinnvoll ist oder nicht, beurteilte das Gericht aber nicht. Das sei eine politische Entscheidung, die die Stadt treffen müsse, sagt Schüttpelz. Nun ist der Rechtsstreit beendet. Gegen das Urteil sei laut Gericht kein Rechtsmittel zulässig.
Jasper Prigge, Anwalt der Architektin, werde sich das Urteil nun zusammen mit seiner Mandantin genau anschauen, sagt er am Donnerstag. Erfreulich sei, dass das OLG – anders als das Landgericht – durchaus einen Eingriff ins Urheberrecht erkannt habe. Und auch wenn das Urteil nicht zugunsten seiner Mandatin ausgefallen sei, sei es doch ein positives Signal an alle Urheberinnen und Urheber, sagt Prigge. Es zeige, dass Eigentümer von Bauwerken nicht ungefragt Veränderungen vornehmen könnten.
Das Landgericht hatte in vorheriger Instanz die Klage ebenfalls abgewiesen. Allerdings mit der Begründung, dass der Zaun den Platz nicht mehr grundlegend verändert habe. Er habe schon zuvor nicht mehr dem Konzept entsprochen. Um sich ein Bild zu machen, verlegte das OLG einen Verhandlungstag des Berufungsprozesses an den Ort des Geschehens: mitten auf den Worringer Platz. Im September trafen sich die Mitglieder des Senats mit den streitenden Parteien zwischen Pizzeria und Straßenbahngleisen,
umringt von Schaulustigen.
Der Zaun ist – spätestens durch die Gerichtsprozesse – zum Politikum geworden. Sozialarbeiter und die benachbarte Drogenhilfe kritisieren seit Langem, dass immer mehr öffentliche Räume für Obdachlose und Drogenabhängige wegfallen. Sie fordern eine Alternative zum Worringer Platz. Die Frage, die dahintersteckt, ist: Wohin mit den suchtkranken Menschen? Bislang gibt es darauf keine Antwort.
Die Stadt als Eigentümerin des Platzes war übrigens in beiden Verfahren nicht involviert. Auch Erfried Schüttpelz erwähnte das in der jüngsten Verhandlung. „Wäre die Stadt nicht der richtige Ansprechpartner?“, fragte der Leiter des Senats und beantwortete selbst: „Sicherlich schon.“Doch keine der streitenden Parteien hatte die Düsseldorfer Stadtverwaltung einbezogen, und auch die städtischen Vertreter hatten die Möglichkeit, sich an dem Verfahren zu beteiligen, nicht genutzt.