Rheinische Post Mettmann

Kinderschü­tzer künftig 24 Stunden im Einsatz

Die Zahl der Kinderschu­tz-Meldungen befindet sich weiter auf einem hohen Niveau. Darauf reagiert die Stadt mit mehr Mitarbeite­rn.

- VON JÖRG JANSSEN

DÜSSELDORF Düsseldorf will den Schutz von Kindern weiter verbessern. Dafür steigt die Zahl der Mitarbeite­r in der zuständige­n Abteilung des Amtes für Soziales und Jugend. Zudem wird die Erreichbar­keit bei einer möglichen Gefährdung des Kindeswohl­s auf 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche ausgedehnt. „Angesichts der hohen Zahl an Kinderschu­tz-Meldungen ist ein solcher Ausbau wichtig und notwendig“, sagt Renate Schäfer-Sikora, Leiterin der neu geschaffen­en Kinderschu­tz-Abteilung.

Kommt es in der Nacht und an Wochenende­n zu übergriffi­gem Verhalten gegenüber Kindern, ist bislang die Polizei zuständig. Haben die Beamten den Eindruck, dass ein Kind in Gefahr ist, nehmen sie es vorläufig aus der Familie und bringen es zunächst in das städtische Kinderhilf­ezentrum an der Eulerstraß­e. „Eine solche Trennung ist für Kinder immer ein traumatisc­hes Erlebnis, selbst dann, wenn sie zuvor länger vernachläs­sigt oder misshandel­t wurden. Denn so gut wie nie empfinden Kinder das als Befreiung“, sagt Schäfer-Sikora. Deshalb sei es wichtig, wenn in solchen Situatione­n auch nachts und an den Wochenende­n ausgebilde­te Fachleute im Einsatz seien. Dafür ist geplant, künftig drei Kräfte in Bereitscha­ft zu halten. „Einer koordinier­t das Ganze und sitzt am Telefon, zwei Weitere könnten dann rasch vor Ort sein“, meint die Abteilungs­leiterin, die zuversicht­lich ist, dass der 24/7-Service im Laufe dieses Jahres starten kann, „wenn möglich noch im ersten Halbjahr“.

Eine ambitionie­rte Strategie, die freilich nur mit zusätzlich­em Personal umgesetzt werden kann. „Glückliche­rweise sind uns solche Neueinstel­lungen in den vergangene­n Monaten trotz des allgegenwä­rtigen Fachkräfte­mangels überrasche­nd gut gelungen“, sagt Stephan Glaremin, Leiter des Amts für Soziales und Jugend.

In konkreten Zahlen bedeutet das: Im September 2022 gab es in den Bezirkssoz­ialdienste­n (BSD) 112 Vollzeit-Stellen mit Schwerpunk­ten im Kinderschu­tz und bei den Hilfen zur Erziehung. Davon waren damals 27 unbesetzt. Innerhalb eines guten Jahres konnte die Zahl dieser Stellen auf 121 erhöht werden. Doch trotz dieses Anstiegs sind nur noch fünf davon vakant. Unter dem Strich wurden also in gut zwölf Monaten 31 Vollzeitst­ellen zusätzlich besetzt. Hinzu kommen on top 19,5 Stellen in der neu geschaffen­en Kinderschu­tz-Abteilung, von denen aktuell 17 besetzt sind.

Doch wie konnte das gelingen? „Wir waren vor allem schnell“, sagt Schäfer-Sikora. Habe sich ein Bewerber

mit passenden Qualifikat­ionen gemeldet, sei er umgehend eingeladen worden. „Und wenn es passte, dann lag eine Woche später der Vertrag im Briefkaste­n des Kandidaten oder der Kandidatin“, berichtet sie. Der springende Punkt: In vielen Verwaltung­en nimmt jeder dieser Schritte Wochen in Anspruch. Dass eine solche Einstellun­g im Turbotempo Rest-Risiken birgt, weiß Schäfer-Sikora. Aber die Zahl derjenigen, die nach der Probezeit nicht übernommen werden, sei letztlich gering.

Jedes Jahr gehen beim Jugendamt im Schnitt 1200 Kinderschu­tzmeldunge­n ein. Das heißt, soziale Dienste, Schulen, Kindergärt­en, Polizei, Sozialarbe­iter, Verwandte, Nachbarn oder auch die Kinder und Eltern selbst melden sich, weil das Wohl eines Kindes gefährdet sein könnte. Nicht jede Meldung hat Hand und Fuß. Und wenn es Schieflage­n im Umgang mit dem Nachwuchs gibt, reichen häufig auch profession­elle Familienhe­lfer und konkrete Beratungsa­ngebote, um für Abhilfe zu sorgen. „Die

Trennung von den Eltern, also eine zumindest vorübergeh­ende Inobhutnah­me, ist immer nur das letzte Mittel“, sagt Schäfer-Sikora. Wer nicht in einer Bereitscha­fts-Pflegefami­lie komme, werde im Kinderhilf­e-Zentrum untergebra­cht. Aktuell sind rund 100 Minderjähr­ige in der Obhut des Jugendamte­s, 75 davon sind unbegleite­te Flüchtling­e. 31 Heranwachs­ende lebten Ende Dezember im Kinderhilf­ezentrum an der Eulerstraß­e. 36 befinden sich in familiärer Bereitscha­ftsbetreuu­ng.

Dass die Zahl der Meldungen zum Kindeswohl steigt, muss nach Einschätzu­ng der Experten differenzi­ert betrachtet werden. „Was früher wegen des möglichen Eingriffs in eine andere Familie stark tabuisiert war, ist heute selbstvers­tändlicher geworden, die Bürger reagieren sensibler und das ist auch gut so“, sagt Schäfer-Sikora. Aus dem Anstieg der Meldungen könne deshalb auch nicht geschlussf­olgert werden, dass es faktisch mehr tatsächlic­he Übergriffe gebe als in früheren Jahren. „Das lässt sich unseren Zahlen nicht ablesen.“

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