Kinderschützer künftig 24 Stunden im Einsatz
Die Zahl der Kinderschutz-Meldungen befindet sich weiter auf einem hohen Niveau. Darauf reagiert die Stadt mit mehr Mitarbeitern.
DÜSSELDORF Düsseldorf will den Schutz von Kindern weiter verbessern. Dafür steigt die Zahl der Mitarbeiter in der zuständigen Abteilung des Amtes für Soziales und Jugend. Zudem wird die Erreichbarkeit bei einer möglichen Gefährdung des Kindeswohls auf 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche ausgedehnt. „Angesichts der hohen Zahl an Kinderschutz-Meldungen ist ein solcher Ausbau wichtig und notwendig“, sagt Renate Schäfer-Sikora, Leiterin der neu geschaffenen Kinderschutz-Abteilung.
Kommt es in der Nacht und an Wochenenden zu übergriffigem Verhalten gegenüber Kindern, ist bislang die Polizei zuständig. Haben die Beamten den Eindruck, dass ein Kind in Gefahr ist, nehmen sie es vorläufig aus der Familie und bringen es zunächst in das städtische Kinderhilfezentrum an der Eulerstraße. „Eine solche Trennung ist für Kinder immer ein traumatisches Erlebnis, selbst dann, wenn sie zuvor länger vernachlässigt oder misshandelt wurden. Denn so gut wie nie empfinden Kinder das als Befreiung“, sagt Schäfer-Sikora. Deshalb sei es wichtig, wenn in solchen Situationen auch nachts und an den Wochenenden ausgebildete Fachleute im Einsatz seien. Dafür ist geplant, künftig drei Kräfte in Bereitschaft zu halten. „Einer koordiniert das Ganze und sitzt am Telefon, zwei Weitere könnten dann rasch vor Ort sein“, meint die Abteilungsleiterin, die zuversichtlich ist, dass der 24/7-Service im Laufe dieses Jahres starten kann, „wenn möglich noch im ersten Halbjahr“.
Eine ambitionierte Strategie, die freilich nur mit zusätzlichem Personal umgesetzt werden kann. „Glücklicherweise sind uns solche Neueinstellungen in den vergangenen Monaten trotz des allgegenwärtigen Fachkräftemangels überraschend gut gelungen“, sagt Stephan Glaremin, Leiter des Amts für Soziales und Jugend.
In konkreten Zahlen bedeutet das: Im September 2022 gab es in den Bezirkssozialdiensten (BSD) 112 Vollzeit-Stellen mit Schwerpunkten im Kinderschutz und bei den Hilfen zur Erziehung. Davon waren damals 27 unbesetzt. Innerhalb eines guten Jahres konnte die Zahl dieser Stellen auf 121 erhöht werden. Doch trotz dieses Anstiegs sind nur noch fünf davon vakant. Unter dem Strich wurden also in gut zwölf Monaten 31 Vollzeitstellen zusätzlich besetzt. Hinzu kommen on top 19,5 Stellen in der neu geschaffenen Kinderschutz-Abteilung, von denen aktuell 17 besetzt sind.
Doch wie konnte das gelingen? „Wir waren vor allem schnell“, sagt Schäfer-Sikora. Habe sich ein Bewerber
mit passenden Qualifikationen gemeldet, sei er umgehend eingeladen worden. „Und wenn es passte, dann lag eine Woche später der Vertrag im Briefkasten des Kandidaten oder der Kandidatin“, berichtet sie. Der springende Punkt: In vielen Verwaltungen nimmt jeder dieser Schritte Wochen in Anspruch. Dass eine solche Einstellung im Turbotempo Rest-Risiken birgt, weiß Schäfer-Sikora. Aber die Zahl derjenigen, die nach der Probezeit nicht übernommen werden, sei letztlich gering.
Jedes Jahr gehen beim Jugendamt im Schnitt 1200 Kinderschutzmeldungen ein. Das heißt, soziale Dienste, Schulen, Kindergärten, Polizei, Sozialarbeiter, Verwandte, Nachbarn oder auch die Kinder und Eltern selbst melden sich, weil das Wohl eines Kindes gefährdet sein könnte. Nicht jede Meldung hat Hand und Fuß. Und wenn es Schieflagen im Umgang mit dem Nachwuchs gibt, reichen häufig auch professionelle Familienhelfer und konkrete Beratungsangebote, um für Abhilfe zu sorgen. „Die
Trennung von den Eltern, also eine zumindest vorübergehende Inobhutnahme, ist immer nur das letzte Mittel“, sagt Schäfer-Sikora. Wer nicht in einer Bereitschafts-Pflegefamilie komme, werde im Kinderhilfe-Zentrum untergebracht. Aktuell sind rund 100 Minderjährige in der Obhut des Jugendamtes, 75 davon sind unbegleitete Flüchtlinge. 31 Heranwachsende lebten Ende Dezember im Kinderhilfezentrum an der Eulerstraße. 36 befinden sich in familiärer Bereitschaftsbetreuung.
Dass die Zahl der Meldungen zum Kindeswohl steigt, muss nach Einschätzung der Experten differenziert betrachtet werden. „Was früher wegen des möglichen Eingriffs in eine andere Familie stark tabuisiert war, ist heute selbstverständlicher geworden, die Bürger reagieren sensibler und das ist auch gut so“, sagt Schäfer-Sikora. Aus dem Anstieg der Meldungen könne deshalb auch nicht geschlussfolgert werden, dass es faktisch mehr tatsächliche Übergriffe gebe als in früheren Jahren. „Das lässt sich unseren Zahlen nicht ablesen.“