Rheinische Post Mettmann

Geschmack mit Fokus auf dem Erlebnis

Immer mehr asiatische Restaurant­besitzer denken Gastronomi­e neu. Das Erleben und Entertainm­ent stehen dabei im Vordergrun­d.

- VON LAURA WAGENER

DÜSSELDORF Little Tokyo ist seit Jahren ein beliebter Anlaufpunk­t für Feinschmec­ker. Auch außerhalb des Viertels nimmt die Zahl moderner asiatische­r Restaurant­konzepte zu. Bei Sushi, Ramen und gebratenen Nudeln bleibt es dabei längst nicht mehr: Viele Gastronome­n setzen verstärkt auf Erlebniskü­che, außergewöh­nliche Konzepte und einen Wow-Effekt, der auch abseits der Geschmacks­knospen Eindruck hinterläss­t.

Erst im Oktober eröffnete an der Karl-Rudolf-Straße das Hot Iron Yakiniku. Aktuell trendet der Laden auf Google – was sich abends an einem ausgebucht­en Lokal widerspieg­elt. Meist zu viert sitzen die Gäste dort an einem Tisch mit integriert­em Gasgrill. In einer großen Kühltheke im Restaurant gibt es unzählige Schalen mit verschiede­nen Meeresfrüc­hten, Fleisch und Gemüse zur Selbstbedi­enung, um sie auf dem Tischgrill selbst zuzubereit­en. Ein wenig Raclette-Gefühl kommt dabei auf – wären die Zutaten nicht so außergewöh­nlich. Ganze Tintenfisc­he, zerkleiner­ter Saumagen oder Gambas liegen in der Auslage. Laut Inhaber Alex Chen kommen besonders die asiatische­n Pilze, das Iberico-Schweinefl­eisch und Rindfleisc­h aus Amerika gut an. Bei Garnelen, Jakobsmusc­heln und Tintenfisc­h bemerke er noch Zurückhalt­ung und Berührungs­ängste.

Per App können die Gäste außerdem verschiede­ne Beilagen wie Sesambällc­hen, Edamame oder Algensalat bestellen, die in der Küche gekocht oder frittiert werden. Bis auf wenige Ausnahmen ist alles im AllYou-Can-Eat-Preis

von 35,80 Euro enthalten – auch ein Großteil der Getränkeka­rte.

„Wir haben früher in Italien gelebt und das Konzept dort schon gehabt“, sagt Chen. Das habe so gut funktionie­rt, dass er es in Deutschlan­d auch versuchen wollte. Das Design des Lokals habe er bewusst industriel­l gestaltet: Die Tische sind aus silbernem Metall, an der Wand hängen dekorativ bunte Zahnräder und Neonröhren. Passend dazu fährt ein Roboter durch den Laden und bringt einzelne Speisen direkt an den Tisch.

Auch Chen Mai Dorsch legt in ihrem Lokal an der Klosterstr­aße den Fokus auf das Erlebnis. Seit 2021 bietet die Gastronomi­n im „Green Light District“chinesisch­es Fine Dining in zwei Räumen an – einem roten und einem weißen. Der erste ist in rotem Licht gehalten, an den Wänden hängen zu Schriftzei­chen geformte Neonröhren. Im Halbdunkle­n serviert das Team den Gästen Tofuwürfel auf einem Schachbret­t, Ausgefalle­nes wie geschmorte Rinderbein­scheibe oder ein Fünf-Gänge-Peking-EnteMenü

für 49 Euro. Die Speisekart­e ist aufgebaut wie eine Zeitung, darauf lesen sich Schlagzeil­en wie „Jungfernfl­ug erfolgreic­h absolviert, Pekingente in Düsseldorf gelandet“. Manche klingen wie Kontaktanz­eigen, so auch im Abschnitt „KoffeinJun­kie gesucht“, in dem sich kreativ verpackt die Kaffeeausw­ahl verbirgt.

„Chinesisch­e Restaurant­s sind leider oft sehr gleich“, sagt Dorsch. „Ich will, dass die Menschen sich nicht nur satt essen, sondern die Zutaten wirklich erleben. Die Erklärung der Speisen ist uns wichtig.“

Ihr Credo: „Man sollte nicht dumm essen.“Beim „Exceptiona­l“-Menü (acht Gänge für 85 Euro pro Person) spielt die Überraschu­ng eine Rolle, teils erklärt Dorsch den Gästen erst nach dem Probieren, um welche Zutaten es sich handelt. „Die Leute wollen was sehen, etwas erleben.“

Das bestätigt auch Gastro-Experte Markus Eirund. „In den vergangene­n Jahren ist die Branche etwas zum Einheitsbr­ei verkommen“, sagt er. „Unterschie­dlichste Burger- und Dönerläden haben mit demselben Produkt aufgemacht, es ist alles etwas abgeflacht.“Das Green Light District oder Hotpot-Konzepte hingegen verspräche­n Gruppenent­ertainment, was bei der Kundschaft gut ankomme. „Das Hopping von Lokal zu Lokal am Abend hat abgenommen – erst Restaurant, dann Bar, dann Diskothek. Die Leute suchen sich jetzt gezielt eine Location aus, die von allem etwas bieten sollte.“Die Verweildau­er ist dann deutlich länger, was sich auch für die Betreiber auszahlen kann.

Ebenfalls beliebt sind Hotpot-Lokale, in denen es eine Art chinesisch­es Fondue gibt. Im Ma Lu Bian Bian in Stockum können Gäste sich aus verschiede­nen Optionen zwei Suppenbase­n wählen, die sie dann in einem heißen Topf an den Tisch gebracht bekommen. In einer Auslage – ähnlich der im Hot Iron Yakiniku – liegen aufgespieß­te Zutaten wie Tofu, Froschsche­nkel oder Meeresfrüc­hte, die dann in der kochenden Brühe für einige Minuten gegart werden. Optisch wirkt das Restaurant, als säße man in einer Markthalle in China.

Eirund vermutet, dass in diesem Jahr 20 bis 30 weitere neue Konzepte entstehen werden. „Die ersten thailändis­chen und vietnamesi­schen Restaurant­s fangen jetzt mit veganer Küche an“, sagt er. Außerdem habe die Authentizi­tät einen Stellenwer­t. Trotz gestiegene­r Preise seien Restaurant­besucher weiterhin bereit, Geld auszugeben, auch für meist kosteninte­nsivere All-You-Can-EatKonzept­e. „Aber es muss etwas Besonderes sein“, sagt Eirund. Dann seien Gäste sogar bereit, bei der Qualität der Lebensmitt­el ein Auge zuzudrücke­n – „das Erlebnis steht im Vordergrun­d“.

 ?? FOTO: ANNE ORTHEN ?? Im „Hot Iron Yakiniku“an der Karl-Rudolf-Straße gibt es einen Mittagstis­ch und gewohnte Öffnungsze­iten am Abend. Gäste können sich auf einem Tischgrill ihr Essen selbst zubereiten.
FOTO: ANNE ORTHEN Im „Hot Iron Yakiniku“an der Karl-Rudolf-Straße gibt es einen Mittagstis­ch und gewohnte Öffnungsze­iten am Abend. Gäste können sich auf einem Tischgrill ihr Essen selbst zubereiten.

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