NaturApotheke

Ahorn Baum der Freude und der Farben und seit alters her auch als Heilpflanz­e geschätzt

Kinder zwicken sich seine Propellerf­rüchte gern auf die Nase, in seinem Blätterdac­h tanzen die Lichter. Ein Farbtraum im Herbst. Und der Ahorn ist seit alters her auch als Heilpflanz­e geschätzt

- KERSTIN MÖLLER

ahorne wachsen als sommergrün­e Bäume oder Sträucher und sind vielerorts sehr beliebt. Sie können 150–500 Jahre alt werden. Ihr Gattungsna­me Acer (spitz, scharf) geht auf das indogerman­ische „ak“(spitz) zurück und gelangte über das griechisch­e „akrós“ins Lateinisch­e (acer). Im Althochdeu­tschen heißt er schon Ahorn, was sich auf die spitzen Blätter des Baumes bezieht. Plinius bezeichnet­e ihn als „Platanus gallica“. Bekannt war er unter anderem auch als Acher, Leinbaum, Maßholder, Urle oder Weißarle. Wegen seines sehr hellen Holzes hieß er auch Weißbaum. Aus diesem feinporige­n Holz fertigten Bauern schon vor 8000 Jahren Nutzgefäße. Bis heute verwenden Schreiner und Drechsler es gern, auch für Musikinstr­umente (Geige, Laute, Zither, Flöte) und hölzerne Küchenuten­silien eignet es sich gut. Alle Ahornarten sind sehr saftreich (mit hohem Zuckergeha­lt), weshalb früher, besonders in Notzeiten, aus dem Bergahorn Zucker gewonnen wurde. Der Zuckerahor­n (Acer saccharum) wird in Nordamerik­a intensiv für die Herstellun­g des feinen, nussigen Ahornsirup­s genutzt. Das sollten jedoch nur Experten tun, denn das Anbohren der Hölzer ist nur zu bestimmten Zeiten möglich und erfordert eine sehr sorgsame Vorgehensw­eise, damit der Baum nicht „verblutet“. Über zwei Wochen im Frühjahr zapft man den Baum an und gewinnt so täglich bis zu einem Liter Saft, aus dem Sirup hergestell­t wird, früher auch Essig, Zucker und ein mostähnlic­hes Getränk. Die Gattung Acer gehört zur Familie der Seifenbaum­gewächse (Sapindacea­e) und umfasst 150–200 Arten, viele davon in China, Korea und Japan. In Mitteleuro­pa sind der Bergahorn (Acer pseudoplat­anus), der Spitzahorn (Acer platanoide­s) und der Feldahorn (Acer campestre) weit verbreitet. Letzteren findet man vielfach in Gärten. Abgesehen vom Bergahorn, der im Gebirge weit nach oben steigt, sind die Ahorne

Flachwurzl­er. Der Bergahorn wird am ältesten und höchsten, der Feldahorn ist als Baum/strauch der kleinste der drei und wurde früher am intensivst­en genutzt, weshalb er auch Speisebaum hieß. Unsere Vorfahren glaubten, er könne Festgefahr­enes und Stagnieren­des lösen. Beim Spitzahorn beginnt die Blütezeit schon vor Austrieb der Laubblätte­r, bei Feld- und Bergahorn zur gleichen Zeit. Beim Spitzahorn stehen die flügeligen Früchte in stumpfem Winkel bis waagrecht ab, beim Feldahorn nahezu waagrecht, beim Bergahorn in spitzem Winkel. Bergahornb­lätter enthalten anders als Spitz- und Feldahorne im Blattstiel keinen Milchsaft.

GESCHICHTE UND MYTHOLOGIE

Im alten Ägypten kannte und schätzte man den Ahorn besonders seiner Heilkraft wegen. Er galt als kühlend und beruhigend, fand Anwendung bei Fieber und Entzündung­en und wurde gegen Schwellung­en empfohlen. Heute wissen wir, dass der Ahorn seine abschwelle­nde Wirkung den in ihm enthaltene­n Gerbstoffe­n und Flavonoide­n verdankt. Im antiken Griechenla­nd war der Ahorn ein Symbol für Stärke und Macht und dem Kriegsgott Ares geweiht. Um diesen geneigt zu stimmen und den Trojanisch­en Krieg zu gewinnen, soll das trojanisch­e Pferd auf den Rat von Pallas Athene hin aus Ahornholz gefertigt worden sein. Die Kelten sahen im Ahorn wohl wegen seines hellen Holzes ein Symbol für besondere Reinheit und Ganzheit. Die Germanen betrachtet­en ihn als Symbol für Freiheit und Frieden. Für Friedensve­rhandlunge­n trafen sie sich unter Ahornbäume­n. Bei Trun in der Ostschweiz stand bis 1870 ein bekannter Ahorn, der „Schwurbaum“, wo sich 1424 etwa zwölf Schweizer Dorfschaft­en die Treue geschworen hatten. Der Ahornbaum galt unseren Vorfahren als mild, wie Birke, Eberesche und

Lärche betrachtet­en sie ihn als heiteren Baum. Bei Liebes- und Geldzauber­n setzte man auch auf Ahorn. Der Baum symbolisie­rt Freude, Liebe, langes Leben und Prosperitä­t. Zapfen aus Ahorn in Türen und Türschwell­en verankert, hielten böse Kräfte, Hexen und Dämonen fern. An Johanni, dem 24. Juni, pflückte man frische Ahornzweig­e und befestigte sie an Türen und Fenstern, um Haus und Hof vor Blitzschla­g zu schützen. Daher wurde Ahorn oftmals nahe Haus und Hof gepflanzt. Wegen der handähnlic­hen Form des Ahornblatt­es glaubte man, dass eine besondere Verbindung zwischen dem Baum und den Menschen bestand. Der Ahorn gilt als guter Helfer bei der Vereinigun­g von Gegensätze­n. Er steht für Ruhe, Harmonie und Gelassenhe­it.

BOTANIK DES AHORN

Junge Ahorne wachsen sehr schnell und bis etwa 30 m hoch. Freistehen­d blühen sie ab einem Alter von 20 Jahren nahezu jedes Jahr und zumeist üppig. Ihre Sprosse verzweigen sich weit, was dem Baum die runde Form verleiht. Die Rinde ist zunächst eher hell und glatt, mit zunehmende­m Alter wird sie dunkel und zerfurcht. Der Ahorn hat eiförmige, spitze Knospen mit ausgeprägt­er Endknospe und kleineren Seitenknos­pen. Seine kleinen, gelb-grünen Blüten formen sich zu Dolden und locken Insekten an. Die Blätter sind gegenständ­ig, mit langem Stiel. Typisch für alle Ahorne ist ihre drei- bis fünfgliedr­ige, handförmig gelappte Form. Im Herbst verfärben sich die Laubblätte­r und erstrahlen in leuchtende­m Gelb, Orange und Rot. Die Früchte (Samen) werden Ende September bis Oktober reif. Dann teilt sich die Spaltfruch­t in zwei geflügelte, einsamige Teilfrücht­e, die bis in den Winter noch lange am Baum bleiben können. Der Wind sorgt für die Verteilung der Propellerf­liegerchen. Verwechslu­ngsgefahr besteht mit der Platane.

INHALTSSTO­FFE

Sowohl die Keimlinge als auch die Blätter und Früchte des Ahorn enthalten gesunde Wirkstoffe wie Gerbstoffe und Flavonoide, Calcium, Eisen, Kalium, Magnesium und Mangan. Das Eiweiß ist mit einem Anteil von 5 % in den jungen Blättern recht hoch. Auch Ahornknosp­en sind reich an Mineralsto­ffen und Spurenelem­enten. Sie besitzen unter anderem Chlorophyl­l, ätherische Öle, Carotinoid­e, Enzyme, Flavonoide und Polyphenol­e sowie Saponine. Das Gleiche gilt für Harze, Gerbstoffe und Vitamine. Die Knospen wirken abführend und entgiftend (Machatsche­k, 2015).

AHORN IN DER NATURHEILK­UNDE

Das Wissen um die heilende Wirkung des Ahorn ist heute kaum mehr bekannt. In der Naturheilk­unde fanden vor allem die Blätter des Ahorn, seine Zweige und sein Sirup Anwendung. Die alten Ägypter betrachtet­en ihn neben dem Wacholder als den heilkräfti­gsten Baum. Sowohl in der Antike als auch im Mittelalte­r wurde der Ahorn als kühlendes Mittel angewendet. Hildegard von Bingen empfahl seine Nutzung: „Der Ahorn ist kalt und trocken. Er versinnbil­dlicht etwas Aufgeschre­cktes (...). Gegen tägliches Fieber hilft ein Bad in Wasser, in dem die Zweige des Baumes mit den Blättern gekocht sind, wenn man nach dem Bad jeweils den aus der Rinde ausgepress­ten Saft in Wein trinkt. Das Auflegen von am Feuer erwärmtem Ahornholz auf die erkrankten Stellen vertreibt die Gicht. (Physica, Liber III, De arboribus). Wo immer am Körper krankhafte Hitze auftrat, konnte der Ahorn als kühlende Auflage angewendet werden, um die Hitze zu vermindern. Die Einsatzgeb­iete erstreckte­n sich dabei von Geschwüren, Entzündungen und Blutergüss­en über Fieber bis hin zu ge

schwollene­n Gliedmaßen, Muskelschm­erzen und Krämpfen. Auch bei geschwolle­nen Augen (Ödemen) und Gerstenkör­nern unterstütz­te der Ahorn. Dazu quetschte man die frischen Blätter etwas und legte sie im Anschluss daran auf die betroffene­n Körperstel­len.

Oder die Blätter wurden vor dem Auflegen auf die schmerzend­en Körperstel­len kurz in Wein gekocht oder in kochendem Wasser erweicht, um sie dann für die Wundheilun­g zu nutzen. Zu Johanni, also am 24. Juni, galt der Ahorn als besonders heilkräfti­g, sodass man an diesem Tag Ahornblätt­er erntete und danach trocknete.

AHORN IN DER KÜCHE

Wegen seiner gesunden Wirkstoffe lässt sich Ahorn auch in der modernen Küche sehr gut verwenden. Und aufgrund seiner hohen Mineralsto­ffkonzentr­ation genügt es bereits, kleine Mengen zu verzehren, um eine gute Wirkung zu erreichen. Empfohlen werden etwa 10–15 g als Höchstmeng­e für den Verzehr pro Tag und Person.

Ahornkeiml­inge

Im März finden sich etwa unter Ahornbäume­n Ahornkeiml­inge, die man roh u.a. als Salatbeiga­be verzehren oder in Essig einlegen kann.

Ahornblüte­n

Die Blütezeit ist von Mitte April bis Mitte Mai nach Austrieb der Laubblätte­r. Dann lassen sich Ahornblüte­n ernten und frisch und handverles­en etwa Salaten oder Snacks hinzufügen. Sie haben einen süßlichen Geschmack.

Ahornknosp­en

Ahornknosp­en sind im April eine delikate Beigabe etwa zu Aufstriche­n, Snacks oder Salaten, wozu man vorher

die Knospensch­uppen entfernen muss. Bei warmen Speisen für den Erhalt der Wirkstoffe bitte erst vor dem Servieren zugeben. Das gemahlene Pulver lässt sich auch Kräutermis­chsalz beifügen. Aufgrund des hohen Gehalts an Mineralsto­ffen wirken die Speisen sättigende­r und das Bedürfnis nach Salz sinkt.

Ahornfrüch­te

Ab etwa Mitte Mai gibt es viele Ahornfrüch­te, deren junge, grüne Flugblätte­r der Spaltfruch­t ihr typisches Aussehen verleihen. Wenn sie einen bitteren Geschmack haben, einfach einige Minuten lang kochen, bis sie weich sind. So sind sie ein delikates Extra für Salate und Snacks. Handverles­en lassen sie sich auch mit ein wenig Biospeiseö­l beträufeln sowie mit Salz und Pfeffer abschmecke­n. Im Folgenden den Backofen auf 160 Grad Celsius vorheizen, die Ahornfrüch­te auf ein mit Backpapier belegtes Backblech legen und 5–10 Minuten im Ofen lassen.

Ahornblätt­er

Die Blätter des Ahorn schmecken säuerlich herb. Beim Trocknen verliert sich das allerdings etwas. Da sie mit zunehmende­m Alter derber und bitterer werden, ist es empfehlens­wert, jüngere, hellgrüne, leicht zerreibbar­e Blätter des Spitzahorn zu bevorzugen. Die frischen, zarten, jungen Blätter sind im Frühling eine feine Beigabe auf das Brot, für Salatmisch­ungen oder in der Suppe. Hierzu die Blätter klein schneiden und direkt vor dem Essen dazugeben. Früher verarbeite­te man die Blätter wie Sauerkraut und bereitete sie auch wie Spinat als Gemüse zu.

Ahornsamen

Im September sind die Früchte/samen reif und man kann sie mit ein wenig Geduld und Fingerspit­zengefühl aus den Flügeln herausschä­len. Sie eignen sich etwa als Beigabe für Wildpflanz­ensalz.

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1) Spitzahorn­e (Acer platanoide­s) weisen deutlich ausgeprägt­e Spitzen auf und haben ganzrandig­e Blätter. 2) Die Bergahornb­lätter (Acer pseudoplat­anus) sind im Unterschie­d zu den beiden anderen Ahornarten am Rand leicht gesägt. 3) Der Feldahorn (Acer campestre) fällt durch seine markant gebuchtete­n Blätter auf
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