TITEL: Grüne Soße Kräuter vertreiben die Frühjahrsmüdigkeit und bringen den Stoffwechsel in Schwung. Vor allem wenn gleich sieben zusammenwirken wie in der Grie Soß
Ein herrliches Ritual nicht nur zu Ostern: Die erste Frankfurter Grüne Soße des Jahres zu Pellkartoffeln servieren – frischer Genuss pur! Diese Kräuterspezialität vertreibt die Frühjahrsmüdigkeit und bringt den Stoffwechsel in Schwung
am Gründonnerstag pilgere ich gern zu den gut sortierten Kräuterständen am Münchner Viktualienmarkt und hole uns dort ein frisches Kräuterpäckchen Grüne Soße. Alle, die diese oder ähnliche Kräuter im Garten haben, können sie natürlich auch ganz frisch selber ernten. Wir wollen die Gelegenheit nutzen und in Erfahrung bringen, was es eigentlich mit der berühmten Frankfurter Grünen Soße auf sich hat.
DIE TRADITION
Klassisch gehören in die Grüne Soße (Frankfurterisch: Grie Soß) folgende sieben Kräuter: Borretsch, Kerbel, Kresse, Petersilie, Pimpinelle, Sauerampfer und Schnittlauch. Diese werden traditionell mithilfe eines Wiegemessers sehr fein gehackt oder püriert und dann mit den übrigen Zutaten der Soße vermischt. Während manche ein zusätzliches Zweiglein Estragon für erlaubt halten, ist Dill in der klassischen Frankfurter Grünen Soße nicht enthalten. Allerdings gibt es eine Soßenvariante aus Kassel, bei der etwa Kerbel und Kresse nicht enthalten sind. Stattdessen kommen Dill und Zitronenmelisse hinzu. Die Kasseler oder Nordhessische Grüne Soße (Kasselänisch: „Griene Sose“) wird zudem mit Schmand und saurer Sahne oder Quark angerührt, mit gehackten gekochten Eiern und gröber gehackten Kräutern. Eine beliebte Variante in Südhessen ist eine grasgrüne Soße, die per Pürierstab fein zerkleinerte Kräuter enthält.
Früher wurden die Kräuter der Grünen Soße einfach in feuchtes Zeitungspapier eingeschlagen auf den Märkten verkauft. Heute sind sie oft – schon in der richtigen Menge – in eine weiße Papierrolle gehüllt, auf deren Innenseite das Rezept für „Echte Frankfurter Grüne Soße – Goethes Leibgericht“abgedruckt ist. Seit 2011 ist „Frankfurter Grüne Soße“eine geschützte Herkunftsbezeichnung, mindestens 70 % der sieben darin enthaltenen Frischkräuter müssen aus der Region Frankfurt kommen. Als klassische Rezeptur der Frankfurter Soße oder Sauce Francfort gilt den Kochbüchern zufolge wohl eine Vinaigrette. Bekannt sind allerdings ebenfalls zahlreiche Varianten, die auf verschiedenen Grundsoßen basieren und darüber hinaus Milchprodukte enthalten. Und wer es nicht so eng sieht, mischt auch schon mal Bärlauch, Löwenzahn oder andere Wildkräuter unter die wohlschmeckende, gesunde Soße. Die „Grie Soß“wird kalt gegessen und mit gekochten Kartoffeln serviert. Sonntags oder zu festlichen Anlässen reicht man sie auch gern als Beilage kalt zu Fleisch oder Fisch. Angefangen mit dem Gründonnerstag, an dem die Grüne Soße mit Kartoffeln und gekochten Eiern serviert wird, um den Stoffwechsel anzukurbeln und uns fit für den Frühling zu machen, ist sie bis in den Herbst hinein Muntermacher und Gaumenfreude.
GESCHICHTE
Römische Legionäre sollen vor mehr als zweitausend Jahren das Rezept der Grünen Soße aus dem Orient mitgebracht haben. In England finden sich im 12. Jahrhundert erste Rezepte sowie Beschreibungen zu Greensauces in der Schrift „De utensilibus“von Alexander Neckam.
Aus dem Jahr 1530 stammt das Kochbuch „Von allen Speisen und Gerichten, Koch und Kellerey“von Bartolomeo Platina, das auch ein Rezept für eine „Güt grün Salsen von Kreuttern“(Salse = Soße) enthält. Walther Hermann Ryff empfahl 1545 „zum gebraten .... grüne Salsen“in seinem „New Kochbüch für die Krancken.“Und im Jahr 1860 wurde erstmals ein gedrucktes Rezept der Frankfurter Grünen Soße in einem Frankfurter Kochbuch von Wilhelmine Rührig publiziert.
Zu der Frage, wie die Grüne Soße nach Deutschland und insbesondere nach Frankfurt kam, gibt es verschiedene Theorien. Demnach soll sie etwa um 1730 durch einflussreiche italienische Familien nach Frankfurt gekommen sein und sich von dort aus verbreitet haben. Dagegen spricht allerdings, dass die klassische italienische Salsa verde mit Olivenöl angerührt wird, was bei der Frankfurter Grünen Soße nicht zutrifft. So wurde das Rezept möglicherweise eher durch französische Hugenotten importiert, die sich gegen Ende des 17. Jhd. auf hessischem Gebiet ansiedelten. Das Grie-soß-rezept ist denn auch dem für die Sauce verte der Franzosen viel ähnlicher: Die französische Sauce verte ist eine Kräutermayonnaise und die deutsche „Grüne Soße“enthält Sauerrahm, Schmand, Quark und Joghurt und wird teils auch mit Mayonnaise zubereitet.
Und natürlich gibt es den Mythos, nach dem Goethes Mutter, Frau Aja, die Grie Soß erfunden hat und alle Varianten der berühmten Spezialität auf ihrem Kochbuch basieren. Wie jedoch aus Briefen hervorgeht, benutzte sie wohl das Lindheimer’sche Kochbuch ihrer Großmutter. Nach dieser Legende soll die gesunde Frankfurter Grie Soß übrigens Goethes Lieblingsspeise gewesen sein, was Goethe-kenner aber bezweifeln, da der Dichterfürst nie etwas über dieses Gericht geschrieben hat. Experten zufolge soll die Grüne Soße in Frankfurt erst ab etwa 1850 bekannt geworden sein und damit lange nach Goethes Lebenszeit (1749–1832).