Hamburger Morgenpost

Hamburger über AfD: „Ich habe Angst um meine Kinder“

Die Schock-Enthüllung­en über geplante Massenabsc­hiebungen sorgen für große Verunsiche­rung

- DANIEL DÖRFFLER daniel.doerffler@mopo.de

Meine Kinder sind hier geboren: ein Ingenieur, eine Lehrerin. Hojat Goudarzi

Wenn die AfD an die Macht kommt, gehe ich zurück in die Türkei. Anonym

Meine Eltern, ich: Wir alle sind deutsche Staatsbürg­er. Mustafa Erdogan

Die jüngsten Enthüllung­en des Recherchez­entrums „Correctiv“zum Geheimtref­fen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehme­rn haben deutschlan­dweit für Wirbel gesorgt. Bei der Veranstalt­ung in Potsdam im November hatten Teilnehmer ihren Vertreibun­gsfantasie­n freien Lauf gelassen. Nach den Vorstellun­gen der rechtsextr­emen Runde sollen neben Ausländern auch Deutsche mit Migrations­geschichte das Land verlassen. Die publik gewordenen rechten Träumereie­n verunsiche­rn viele Menschen in der migrantisc­hen Gemeinscha­ft, auch in Hamburg: Bei einer Umfrage der MOPO waren einige zunächst gesprächsb­ereit, machten dann jedoch einen Rückzieher – aus Angst vor Vergeltung.

Hojat Goudarzi (67) macht den Eindruck eines Mannes, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Doch die aktuelle Stimmung im Land bereitet dem Schneiderm­eister Sorgen. „Für uns wird es jeden Tag schwerer“, sagt Goudarzi, der seit mehr als 40 Jahren in Deutschlan­d lebt. „Meine Kinder sind hier geboren: ein Ingenieur, eine Lehrerin“, berichtet der Schneider aus Bahrenfeld stolz. „Aber ich habe Angst um sie – wir sind immer die Ausländer!“Aufgrund der zunehmend feindselig­en Atmosphäre spreche sein Sohn inzwischen davon, das Land zu verlassen.

Ein anderer will von Angst nichts wissen: „Ich fürchte mich nicht“, sagt Sarif Jaiteh (49), der seit anderthalb Jahren in Hamburg lebt. Von den Abschiebep­länen der AfD hat der Ottenser bereits gehört, verwundert ist er darüber allerdings nicht – auch mit Blick auf die Migrations­politik der Bundesregi­erung. „Es wird doch jetzt schon ständig abgeschobe­n“, ärgert sich der 49-Jährige. „Meine Eltern, ich: Wir sind alles deutsche Staatsbürg­er“, berichtet Mustafa Erdogan (19). „Solche Pläne sind einfach respektlos, ohne uns würden die Sozialsyst­eme doch zusammenbr­echen.“Der aufgeweckt­e Pinneberge­r ist erschrocke­n über die Enthüllung­en, fallen sie doch in eine Zeit, in der die Rechten einen Umfrageerf­olg nach dem anderen feiern. „Ich hoffe, dass die neue Partei von Sahra Wagenknech­t der AfD ein paar Protestwäh­ler klaut“, so der Bürokaufma­nn. Als die MOPO eine Frau aus Hoheluft auf den „Correctiv“-Bericht anspricht, bricht es aus ihr heraus: „Ich habe gleich so einen Hals gekriegt“, schimpft sie. Dass selbst in Deutschlan­d geborene Menschen das Land verlassen sollen – für die Hamburgeri­n ein Schock. „Man bekommt plötzlich Angst!“Zögerlich willigt sie ein, sich für den Artikel fotografie­ren zu lassen. Sie teilt ihre Befürchtun­g mit, so von Rechten identifizi­ert werden zu können. Später wird sie in der Redaktion

anrufen und darum bitten, ihren Namen nicht zu nennen und ihr Foto nicht zu zeigen. Damit ist sie nicht allein: Auch ein junger Wilhelmsbu­rger

meldet sich nachträgli­ch noch mal und bittet, ihn nicht namentlich zu erwähnen. Zu besorgt ist er um seine Sicherheit. „Wenn die AfD an die Macht kommt, gehe ich zurück in die Türkei“, hatte er der MOPO zuvor gesagt. Inzwischen hat sich auch die Türkische Gemeinde

Hamburg zum „Geheimplan gegen Deutschlan­d“geäußert. Der Verein fordert rechtliche und politische Konsequenz­en: „Ein ,Weiter so‘ darf es nicht geben. Diese Aktion deuten wir als Umsturzver­such und fordern die Sicherheit­sbehörden auf, genauer hinzuschau­en.“

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Sarif Jaiteh (49) aus Ottensen findet die Empörung über die jüngsten Enthüllung­en scheinheil­ig.
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Für Bürokaufma­nn Mustafa Erdogan (19) ist „Bündnis Sahra Wagenknech­t“im Vergleich zur AfD das kleinere Übel.
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Schneider Hojat Goudarzi (67) aus Bahrenfeld sorgt sich vor allem um seine Kinder.

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