Hamburger über AfD: „Ich habe Angst um meine Kinder“
Die Schock-Enthüllungen über geplante Massenabschiebungen sorgen für große Verunsicherung
Meine Kinder sind hier geboren: ein Ingenieur, eine Lehrerin. Hojat Goudarzi
Wenn die AfD an die Macht kommt, gehe ich zurück in die Türkei. Anonym
Meine Eltern, ich: Wir alle sind deutsche Staatsbürger. Mustafa Erdogan
Die jüngsten Enthüllungen des Recherchezentrums „Correctiv“zum Geheimtreffen von AfD-Politikern, Neonazis und Unternehmern haben deutschlandweit für Wirbel gesorgt. Bei der Veranstaltung in Potsdam im November hatten Teilnehmer ihren Vertreibungsfantasien freien Lauf gelassen. Nach den Vorstellungen der rechtsextremen Runde sollen neben Ausländern auch Deutsche mit Migrationsgeschichte das Land verlassen. Die publik gewordenen rechten Träumereien verunsichern viele Menschen in der migrantischen Gemeinschaft, auch in Hamburg: Bei einer Umfrage der MOPO waren einige zunächst gesprächsbereit, machten dann jedoch einen Rückzieher – aus Angst vor Vergeltung.
Hojat Goudarzi (67) macht den Eindruck eines Mannes, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt. Doch die aktuelle Stimmung im Land bereitet dem Schneidermeister Sorgen. „Für uns wird es jeden Tag schwerer“, sagt Goudarzi, der seit mehr als 40 Jahren in Deutschland lebt. „Meine Kinder sind hier geboren: ein Ingenieur, eine Lehrerin“, berichtet der Schneider aus Bahrenfeld stolz. „Aber ich habe Angst um sie – wir sind immer die Ausländer!“Aufgrund der zunehmend feindseligen Atmosphäre spreche sein Sohn inzwischen davon, das Land zu verlassen.
Ein anderer will von Angst nichts wissen: „Ich fürchte mich nicht“, sagt Sarif Jaiteh (49), der seit anderthalb Jahren in Hamburg lebt. Von den Abschiebeplänen der AfD hat der Ottenser bereits gehört, verwundert ist er darüber allerdings nicht – auch mit Blick auf die Migrationspolitik der Bundesregierung. „Es wird doch jetzt schon ständig abgeschoben“, ärgert sich der 49-Jährige. „Meine Eltern, ich: Wir sind alles deutsche Staatsbürger“, berichtet Mustafa Erdogan (19). „Solche Pläne sind einfach respektlos, ohne uns würden die Sozialsysteme doch zusammenbrechen.“Der aufgeweckte Pinneberger ist erschrocken über die Enthüllungen, fallen sie doch in eine Zeit, in der die Rechten einen Umfrageerfolg nach dem anderen feiern. „Ich hoffe, dass die neue Partei von Sahra Wagenknecht der AfD ein paar Protestwähler klaut“, so der Bürokaufmann. Als die MOPO eine Frau aus Hoheluft auf den „Correctiv“-Bericht anspricht, bricht es aus ihr heraus: „Ich habe gleich so einen Hals gekriegt“, schimpft sie. Dass selbst in Deutschland geborene Menschen das Land verlassen sollen – für die Hamburgerin ein Schock. „Man bekommt plötzlich Angst!“Zögerlich willigt sie ein, sich für den Artikel fotografieren zu lassen. Sie teilt ihre Befürchtung mit, so von Rechten identifiziert werden zu können. Später wird sie in der Redaktion
anrufen und darum bitten, ihren Namen nicht zu nennen und ihr Foto nicht zu zeigen. Damit ist sie nicht allein: Auch ein junger Wilhelmsburger
meldet sich nachträglich noch mal und bittet, ihn nicht namentlich zu erwähnen. Zu besorgt ist er um seine Sicherheit. „Wenn die AfD an die Macht kommt, gehe ich zurück in die Türkei“, hatte er der MOPO zuvor gesagt. Inzwischen hat sich auch die Türkische Gemeinde
Hamburg zum „Geheimplan gegen Deutschland“geäußert. Der Verein fordert rechtliche und politische Konsequenzen: „Ein ,Weiter so‘ darf es nicht geben. Diese Aktion deuten wir als Umsturzversuch und fordern die Sicherheitsbehörden auf, genauer hinzuschauen.“