CO2-Ausstoß so niedrig wie seit den Fünfzigern nicht mehr
TREIBHAUSGASE Einsparungen auch krisenbedingt
BERLIN – Das ist mal eine gute Nachricht im noch neuen Jahr: Deutschland hat 2023 so wenig Treibhausgase produziert wie seit sieben Jahrzehnten nicht mehr. Klingt erfreulich, ist es auch. Allerdings gibt es da ein großes Aber …
Laut der Studie „Die Energiewende in Deutschland: Stand der Dinge 2023“der Agora-Denkfabrik sank der CO2-Ausstoß gegenüber 2022 um 73 Millionen Tonnen auf 673 Millionen Tonnen. Und das entspricht einem Rückgang von 46 Prozent im Vergleich zu 1990. Das ist unbestreitbar eine beeindruckende Zahl. Bis 2030 will die Bundesregierung den Ausstoß an Treibhausgasen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. „Die Emissionen haben 2023 den tiefsten Stand seit den 1950er Jahren erreicht. Gleichzeitig handelt es sich um den größten Rückgang von Jahr zu Jahr in diesem Zeitraum“, sagte der Deutschland-Direktor von Agora, Simon Müller.
Für die Zeit vor der Wiedervereinigung haben die Autoren Daten zum Ausstoß an Treibhausgasen aus der Bundesrepublik und der DDR zusammengerechnet.
Bei aller Freude über diese Zahlen: Einen dauerhaften Erfolg für den Klimaschutz
stellt das Rekordjahr nach Analyse der Fachleute bedauerlicherweise nicht dar.
Denn gerade einmal 15 Prozent des Rückgangs führen die Studienautoren auf dauerhafte Einsparungen (zum Beispiel durch den Ausbau erneuerbarer Energien) zurück. Etwa die Hälfte geht stattdessen auf kurzfristige Effekte wie den geringeren Stromverbrauch zurück.
Und: Die niedrigeren Emissionen hängen auch damit zusammen, dass die deutsche Industrie schwächelt. „Der krisenbedingte Produktionseinbruch schwächt den Industriestandort Deutschland. Wenn in der Folge Emissionen lediglich ins Ausland verlagert werden, ist auch für das Klima nichts gewonnen“, betonte Simon Müller. Hauptgrund für die bessere Klimabilanz ist laut
Agora aber, dass 2023 weniger Strom aus dem klimaschädlichen Verbrennen von Kohle gewonnen wurde. Die Emissionen aus der Stromerzeugung sanken um 46 Millionen auf 177 Millionen Tonnen CO2 und haben sich damit im Vergleich zu 1990 mehr als halbiert. Dass wiederum weniger Kohle verstromt wurde, lag am preisbedingten Rückgang beim Stromverbrauch, der betrug 3,9 Pro
zent gegenüber 2022. Infolge des Ukraine-Kriegs waren die Energiepreise gestiegen. Auch die Solarindustrie boomt: Laut der Bundesnetzagentur haben erneuerbare Energien 2023 mit 56 Prozent zum ersten Mal mehr als die Hälfte der deutschen Stromerzeugung ausgemacht. Der Ausbau der Solarkraft erreichte laut Agora Höchstwerte: 14,4 Gigawatt an Leistung kamen neu hinzu, 6,2 Gigawatt mehr als im bisherigen Spitzenjahr 2012. „Gut ist, dass in Klimaschutz und Energieeffizienz investiert wird. Nicht gut ist, dass der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und die von Putin gewollte Preiskrise zu Produktionsrückgängen führen“, erklärte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).