SPIRITUELLES RETREAT:
Valentina Milakovic hat in Spanien zehn Tage lang nach mehr Sinnhaftigkeit im Leben gesucht
Ich war schon öfter auf spirituellen Retreats, jedes Mal taten sie mir gut und haben etwas in mir bewegt. Doch für keines bin ich so lange weg gewesen wie für „Activate your Divine Soulblueprint“– ein zehntägiges Retreat in der spanischen Sierra Nevada, zu dem ich von Sarah Jasmin Cartsburg eingeladen wurde. Sie ist Autorin, Medium und Meditationsexpertin – und gibt ihr Wissen (oder wie man in spirituellen Kreisen sagt: ihre Medizin) bei Coachings, Workshops und Seminaren weiter. Auch wenn das Retreat in meinen Ohren wie ein Versprechen von bezahltem Sommerurlaub klingt, bin ich trotzdem ein wenig aufgeregt. Zehn Tage mit wildfremden Menschen, ganz ohne meinen Mann und ohne Handy. Was wird das mit mir machen? Zum Glück lenkt mich die Arbeit von meinen Ängsten ab, bis ich am Flughafen in Malaga mein letztes Telefonat erledige.
Nach einer zweistündigen Autofahrt lande ich tatsächlich in einem Paradies: „Hidden Paradise“liegt hoch in den Bergen – ein kleines idyllisches Zentrum zwischen Agaven, Granatäpfelund Mandelbäumen, das von zwei Engländern aufgebaut wurde, die hier seit über 30 Jahren leben. Ein Gelände mit einem „Erdtempel“und einem „Space Ship“ganz oben auf einem Berg. Der Ort ist so magisch, dass ich schon beim Ankommen tief ausatmen kann. Am Abend gibt es das erste Treffen und eine Einstimmung. Wir lernen unsere Coaches Sarah, Susi, Carola, Billy und Philip kennen, später werden noch der Tänzer Dhélé und die spirituelle Fotografin Jana dazustoßen. Im Sitzkreis machen wir eine erste Meditation, danach eine „Sharing“-session, bei der alle erzählen, wie es ihnen gerade geht. Die meisten sind aufgeregt, aber der Raum fühlt sich sicher an. Ich merke: Anders als sonst bin ich hier im Moment. Meine Gedanken schweifen nicht ab. Ich bin konzentriert, ohne mich konzentrieren zu müssen.
Das tägliche Programm ist straff. Jeden Tag gibt es vier Sessions, die Morgenmeditation findet noch vor dem Frühstück statt. Zwischen 21 und 22 Uhr beginnt die Ruhezeit, in der bis zum Morgen nicht geredet werden soll. Ich genieße, dass ich in dieser Zeit ganz bei mir bleiben darf. Aber es gibt auch die Abende, an denen wir alle gemeinsam vor dem Kamin philosophieren oder bei Tanz und Musik feiern. Jeder schafft es, gesellig zu sein. Sogar ich, die hier viel schüchterner ist als zu Hause. Die einzelnen Sessions sind ganz unterschiedlich: Mal malen wir intuitiv unsere Impulse des Tages auf oder üben uns mit einem Profitänzer in der Kontakt-improvisation, bei der man sich mit geschlossenen Augen von seinem Gegenüber leiten lässt. Immer geht es darum, ins Vertrauen zu kommen und die Kontrolle abzugeben. Und ich? Lasse jeden Tag mehr los. Jedes Wort, jeder Rat und jede Umarmung hier kommen von Herzen. Diese Art des Umgangs macht nicht nur innerlich etwas mit mir: Wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich ein anderes Gesicht. Entspannter, weicher, strahlender.
Carola, zyklische Mentorin und Gründerin von „The Sound of Sisterhood“, verkörpert eine wilde Weiblichkeit, nach der ich mich im Alltag sehne. Bei ihr arbeiten wir bewusst mit Mutter Erde und unserer zyklischen Natur. In den Meditationen mit Sarah und Susi lande ich in anderen Dimensionen.
Es ist, als würde jede einzelne meiner Zellen von innen abgeduscht, ich fühle mich vollkommen gereinigt. Billy und Philip bringen uns das männliche Prinzip näher. Ich lerne, wie wichtig es ist, die weiblichen und männlichen Energien, die in uns stecken, in Balance zu bringen. Ich kann mir Weichheit und Verletzlichkeit wie nie zuvor erlauben, aber auch ein klares Nein. Eine neue Erkenntnis voller Empowerment für mich: Ich darf beides sein.
An unserem letzten Abend sitzen wir im Kreis. Unsere Aufgabe: Wir sollen der ganzen Gruppe vortanzen und vorsingen, welche Vision von uns die Welt nach diesen zehn Tagen zu sehen bekommen soll. Zuerst ist mir fast schlecht vor Aufregung. Dann gebe ich mir einen Ruck. Die Unterstützung und Liebe, die ich danach erfahren habe, rühren mich noch immer. Es ist dieser Moment, den ich mir in Erinnerung rufe, wenn ich wieder einmal Angst vor Verurteilung habe. Aber ich nehme noch mehr mit nach Hause und in meinen Alltag: Ich habe Klarheit darüber gewonnen, was wirklich im Leben für mich funktioniert – und was ich nur mache, weil mein Ego es toll findet oder weil es von der Gesellschaft verlangt wird. Ich habe zum Beispiel gelernt, dass Verletzlichkeit und Sensibilität mir nicht im Weg stehen (wie ich so lange dachte), sondern mir vielmehr zeigen, wohin mein Weg geht. Und ich habe begriffen, dass es kein Egoismus ist, wenn ich tue, was mir guttut. Am Ende hat mich diese Reise also wirklich in ein verstecktes Paradies geführt. Zu mir selbst. Oder jedenfalls sehr viel näher dran.