FOCUS Magazin

Zieh voll durch Bewegung ist einer der wichtigste­n Faktoren für Gesundheit. Das attestiere­n heute zahlreiche Studien. Wie Krankenkas­sen das Fitnessbew­usstsein der Versichert­en fördern

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Mindestens 150 Minuten sollten Erwachsene pro Woche moderat körperlich aktiv sein. Diese Empfehlung gab die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) vor nunmehr vier Jahren heraus. Doch dieser Richtwert ist mittlerwei­le überholt: Auch wer sich weniger als in der WHO-Vorgabe genannt bewegt, trägt mit seiner Aktivität dazu bei, sein Schlaganfa­llrisiko zu senken. Das berichtete eine italienisc­he Forschungs­gruppe der Universitä­t L’Aquila im Januar 2024 im „Journal of Neurology, Neurosurge­ry, and Psychiatry“in der Studie „Risk of stroke with different levels of leisure-time physical activity“. Auf Basis einer Auswertung von insgesamt 3064 Fachbeiträ­gen und 16 Kohortenst­udien kamen die Wissenscha­ftler zum Ergebnis: Jeglicher Level – egal, ob hoch oder niedrig – von Bewegung in der Freizeit dient der Prävention eines Schlaganfa­lls. Einzig wichtig ist, sich regelmäßig zur Bewegung aufzuraffe­n.

Schon fünf Minuten Bewegung am Tag haben einen messbar positiven Effekt auf den Körper. Regelmäßig­er Sport reduziert aber nicht nur das Risiko eines Schlaganfa­lls. Generell ist Bewegung wohl einer der wichtigste­n Faktoren für Gesundheit. „Gene werden immer gern herangezog­en, wenn man Entschuldi­gungen sucht“, erklärt Professor Ingo Froböse von der Sporthochs­chule Köln. Man wisse aber heutzutage, dass die Gene wirklich nur zu sieben bis zehn Prozent für Krankheite­n überhaupt verantwort­lich sind. „Viel bedeutsame­r ist der Lebensstil, der nämlich Gene an- oder abschalten kann“, betont Fachmann Froböse. Somit spiele der Lebensstil auch bei der Krankheits­prävention eine wichtige Rolle. Zum Lebensstil zählen neben Bewegung etwa auch die Bereiche Ernährung, Stress und Schlafqual­ität.

Warum aber sorgt Sport für eine bessere gesundheit­liche Konstituti­on? Die Forschung verweist hier auf eine starke Muskulatur! Beanspruch­te Muskulatur schüttet sogenannte Myokine aus. Diese hormonähnl­ichen, körpereige­nen Botenstoff­e regen bei erhöhter Aktivität die inneren Organe dazu an, quasi „gesünder“zu werden, was sie von allein nicht könnten. „Eine arbeitende Muskulatur schützt über die Myokine viele Organe und hält sie funktionst­üchtig, verhindert Altersverä­nderungen und verbessert die Leistungsf­ähigkeit“, erklärt Experte Froböse. Gut erforscht ist mittlerwei­le das Myokin BDNF (Brain-Derived Neurotroph­ic Factor). Es verhindert das Absterben von Gehirnzell­en und fördert den Ausbau neuer Neuronen und Synapsen. Was langfristi­g vor Alzheimer und Demenz schützen kann.

Energiekra­ftwerke der Muskelzell­en. Neben Myokinen sind auch die sogenannte­n Mitochondr­ien wichtig für eine starke Muskulatur. Anzahl und Größe dieser wahren „Energiekra­ftwerke“der Muskelzell­en erhöhen sich durch regelmäßig­es Training – vor allem bei „aerobem“Sport mit ausreichen­der Sauerstoff­zufuhr. Die so gestärkten Mitochondr­ien können Zucker und Fettsäuren viel effiziente­r verbrennen.

Die ideale Trainingsf­orm, so die Wissenscha­ft, besteht aus einer Kombinatio­n aus Ausdauertr­aining und Muskeltrai­ning. Wobei Frauen aus einem gewissen Quantum an Bewegung größeren gesundheit­lichen Nutzen für ihr Herz ziehen, als es Männer tun. Zu diesem Ergebnis kommen die Kardiologi­nnen Susan Cheng und Martha Gulati von der Cedars-Sinai-Klinik in Kalifornie­n. Dazu griffen die Medizineri­nnen auf zwischen 1997 und 2019 erhobene Gesundheit­sdaten von mehr als 412 000 erwachsene­n US-Amerikaner­n zurück, 55 Prozent davon weiblichen Geschlecht­s.

Um ein bestimmtes Maß an Widerstand­sfähigkeit gegenüber einem vorzeitige­n Herztod zu erreichen, mussten sich Frauen laut Studie wöchentlic­h rund zwei Stunden bei Aus

dauersport verausgabe­n, die Männer hingegen vier Stunden. In Bezug auf Kraftsport – und damit Muskeltrai­ning – lautete das Resultat: Frauen reichte eine Einheit Gewichte stemmen oder Ähnliches pro Woche, Männer hingegen benötigten drei Einheiten.

Boni für die Gesundheit. Dass Fitness-Fans seltener von Herz-Kreislauf-Erkrankung­en betroffen und geistig agiler sind, ist auch den gesetzlich­en Krankenkas­sen längst klar. Darum honorieren sie auch den Sportsgeis­t ihrer Versichert­en: Wer beispielsw­eise Mitglied im Sportverei­n ist, das Sport- oder Schwimmabz­eichen besteht oder in seiner Freizeit an Sportveran­staltungen teilnimmt, bekommt im Rahmen sogenannte­r Bonusprogr­amme wahlweise Barprämien ausgezahlt oder kann sich Zuschüsse sichern, etwa für Gesundheit­skurse oder profession­elle Zahnreinig­ung. Prämien und Zuschüsse winken Versichert­en außerdem etwa für den Nachweis eines umfassende­n Impfschutz­es oder der regelmäßig­en Teilnahme an Vorsorgeun­d Früherkenn­ungstermin­en.

Sport hat allerdings auch Schattense­iten. Eine USLangzeit­studie, welche die Hirnstrukt­ur und Lernleistu­ngen in Verbindung mit Kopfbällen beobachtet­e, kam zum Ergebnis: „Unsere Analyse ergab, dass viele Kopfbälle über einen Zeitraum von zwei Jahren mit Veränderun­gen in der Mikrostruk­tur des Gehirns einherging­en, die mit den Ergebnisse­n bei leichten traumatisc­hen Hirnverlet­zungen vergleichb­ar sind“, sagt Michael L. Lipton, Radiologie-Professor an der Columbia University und Hauptautor der Studie. Eine hohe Anzahl an Kopfbällen brachten die Wissenscha­ftler kausal zudem mit einem Rückgang der verbalen Lernleistu­ng in Verbindung.

Sportlers Schwachpun­kt. Häufiger als mit kognitiven Einschränk­ungen haben Freizeitsp­ortler mit einem Sehnenriss zu kämpfen. Die Gefahr einer Sehnenrupt­ur steigt ab dem 30. Lebensjahr, da die Elastizitä­t der Sehnen mit zunehmende­m Alter abnimmt. Am häufigsten betroffen sind stark beanspruch­te Sehnen, etwa die Achillesse­hne.

Rund 16 000 bis 20 000 Achillesse­hnenrisse werden pro Jahr in Deutschlan­d behandelt. Daher kommen für Sportler gerade jene gesetzlich­en Krankenkas­sen in die engere Wahl, die mit einem ausgeklüge­lten Versorgung­smanagemen­t im Bereich des Stütz- und Bewegungss­ystems aufwarten, was den Heilungspr­ozess evident verkürzt.

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