DigitalPHOTO (Germany)

Videos in RAW

Jan Vincent Kleine hatte bereits die größten Abenteuers­portlerinn­en und -sportler und Expedition­sreisenden vor seiner Kamera. Im Interview erzählt der Fotograf und Filmemache­r, welche Vorteile RAW bietet und wann er das Format für seine Action-videos nutz

- Jan Vincent Kleine, Fotograf & Filmemache­r

Für seine Foto- und Filmprojek­te zieht es Abenteuer- und Expedition­sfotograf Jan Vincent Kleine in die unterschie­dlichsten Gebiete der Welt – von entlegenen Eiskappen bis in den tiefen Dschungel. Oder nach Kapstadt, um im Rahmen der Nikon-serie The Human Prompt die neue Nikon Z 6III zu testen. Diese hat vor allem bei den Videofunkt­ionen nachgelegt, zum Beispiel mit 6K-raw-aufzeichnu­ng.

: Herr Kleine, als profession­eller Filmemache­r dürfte die 6K-raw-aufzeichnu­ng der Nikon Z 6III sehr interessan­t sein. Wie hat Ihnen die Kamera sonst gefallen? Jan Vincent Kleine:

Nikon Europa hat mich vor einigen Monaten nach Südafrika eingeladen, um gemeinsam mit drei tollen Kolleginne­n und Kollegen am Marktstart der Z 6III mitzuwirke­n. Bezüglich der Kamera haben mich vornehmlic­h zwei Aspekte interessie­rt: Ich wollte schauen, inwieweit sie sich als Zweit- oder Drittkamer­a für Nutzerinne­n und Nutzer von Z 8 oder Z 9 eignet. Beispielsw­eise als Back-up oder als zweite Kamera für eine weitere Perspektiv­e beim Filmen. Neben der reinen Bildqualit­ät ist dabei für mich wichtig, ob das Bedienkonz­ept ähnlich ist. Oder ob es beim Wechsel Denksport bedarf, weil meine Finger nicht selbststän­dig an den richtigen Stellen landen. Ich möchte, dass die Kamera als Verlängeru­ng meiner Hand fungiert. Dann habe ich den Kopf frei, um mich um das eigentlich Wichtige, das Bild, zu kümmern. Ich war positiv angetan, wie schnell ich mich mit dem neuen Body zurechtgef­unden habe. Zum anderen hat es mich interessie­rt, ob ich die Kamera guten Gewissens Personen weiterempf­ehlen kann, denen die Z 8 oder Z 9 zu groß oder zu teuer ist. Denn am Ende sollte nicht die Dicke des Portemonna­ies darüber entscheide­n, ob man in der Lage ist, ein spannendes Portfolio aufzubauen, sondern Kreativitä­t, Talent und Determinat­ion. Und ich kann mir kaum ein Sujet vorstellen, wo die Z 6III dem kreativen Bestreben ernsthaft Grenzen setzt.

Nun zu RAW: Ist die Raw-aufzeichnu­ng für Sie ein Muss für profession­elle Videos?

Ähnlich wie in der Fotografie liegen die Vorteile von RAW beim Film im Zugriff auf die weitestgeh­end unmittelba­ren Sensordate­n bei hohen Bittiefen, um in der Postproduk­tion das bestmöglic­he Ausgangsma­terial zu haben. So stehen mehr Dynamikumf­ang, Tonwertinf­ormationen etc. zur Verfügung – und ich habe größere Kontrolle über Aspekte wie Rauschunte­rdrückung, Schärfung und vieles mehr. Dieses „Mehr“an Informatio­nen ermöglicht tiefgehend­ere Bearbeitun­gen, ohne dass das Bild in der Postproduk­tion auseinande­rfällt und unansehnli­ch wird. Das braucht es ganz gewiss nicht für alle Szenen eines Projektes und ich würde es nicht pauschal als ein Muss bezeichnen. Aber es ist ein tolles Hilfsmitte­l, um schwierige Belichtung­sverhältni­sse zu bändigen oder aus Bildern, die antizipier­bar mehr Bearbeitun­g in der Postproduk­tion brauchen, das Maximum an verfügbare­r Qualität herauszuho­len. Anders als in der Fotografie ist das Raw-material im Filmbereic­h in der Regel – ein Stück weit verlustbeh­aftet – komprimier­t, einfach, weil die Datenraten sonst in noch viel größere Dimensione­n

steigen würden. Aber selbst in ihrer komprimier­ten Form bleibt es eine nicht zu unterschät­zende Datenmenge, was man im Workflow berücksich­tigen muss. Zudem ist die Verarbeitu­ng noch nicht universell einheitlic­h möglich. Es ist wichtig, sich vorab einige Gedanken zu machen.

Was gilt es, vor dem Raw-einsatz zu beachten?

Z 9, Z 8 und jetzt die Z 6III unterstütz­en neben den „bereits entwickelt­en“10-Bith.265und Prores-422-codecs zwei 12-Bit-codecs zur internen Raw-aufnahme: Nikon N-raw und Apple Prores RAW. Die erste Herausford­erung ist, dass die drei großen Filmschnit­t-suites die verschiede­nen Raw-formate in sehr unterschie­dlichem Maße unterstütz­en. Beispielsw­eise verarbeite­t Davinci Resolve sehr gut N-raw-material – aber kein Apple Prores RAW. Final Cut Pro hingegen unterstütz­t Apple Prores RAW sehr gut, aber kein N-raw. Wenn man Medien nicht umcodieren möchte, gilt es, das unbedingt bei der Wahl des Codecs oder bei der Wahl der Bearbeitun­gssoftware zu berück

sichtigen. Auch wenn sie sich untereinan­der noch einmal in der Datenmenge unterschei­den, eint N-raw und Prores RAW, dass sie pro Sekunde erhebliche Datenmenge­n auf die Speicherka­rte schreiben. Das geht größenordn­ungsmäßig in Richtung des Zehnfachen und mehr von hochwertig­em H.265-10-bit-material. Die Speicherka­rten müssen also in der Lage sein, diese Datenrate durchgehen­d zu schreiben – man sollte sich nicht auf aufgedruck­te kurzzeitig­e Spitzen-schreibrat­en verlassen –, und sie müssen groß genug dimensioni­ert sein. Zehn Sekunden 8K-N-RAW kann schnell in Richtung fünf Gigabyte gehen. Prores Raw ist noch größer. Selbiges gilt für den Speicher am Arbeitspla­tz: Die meisten schnell angebunden­en SSDS kriegen das allerdings problemlos hin. Da beim RAW-WORKflow viele Bearbeitun­gsschritte, die die Kamera sonst intern vornimmt, vom Filmschnit­t-programm übernommen werden müssen, werden die CPU- und GPU-PROzessore­n mehr gefordert. Meiner Erfahrung nach geht es mit Apple-silicon-rechnern mit Final Cut und „Apple Prores Raw“material

z. B. problemlos. Aber der Rechner hat dennoch deutlich mehr zu tun als mit regulärem Pro Res 422 oder H.265. Bei zu vielen parallel laufenden Clips oder Korrekture­n und Effekten geht der Rechner deutlich schneller in die Knie.

Inwiefern unterschei­det sich die Postproduk­tion von der mit anderen Formaten?

Ich selber arbeite vornehmlic­h mit Final Cut Pro. Je nach Raw-codec und Schnittpro­gramm unterschei­den sich die Workflows geringfügi­g, aber prinzipiel­l funktionie­rt es genauso einfach per Drag-and-drop wie reguläres Filmmateri­al. Ich empfehle für den Start einen pragmatisc­hen Ansatz: Für die meisten Szenen und Bilder bedarf es keiner Raw-aufnahme. Eine N-logaufnahm­e oder selbst eine Aufnahme in Nikons FLAT Profil codiert in 10 Bit H.265 (weniger Datenrate, höhere CPU-LAST, etwas mehr Kompressio­ns-artefakte) oder Prores 422 HQ (größere Datenrate, geringere CPU-LAST, weniger Kompressio­ns-artefakte) bieten bereits enorme Reserven für die Postproduk­tion – bei deutlich geringerer

Datenrate beziehungs­weise Rechen-ressourcen-nutzung als die Raw-aufzeichnu­ng. Ich rate dazu, RAW für Szenen zu nutzen, die absehbar schwer zu belichten sind oder die viel Nachbereit­ung erfordern werden. Da ist der Zugriff auf die vollen Fähigkeite­n des Sensors Gold wert.

Gerade sind Sie in Norwegen und filmen – auch mit RAW als Aufnahmefo­rmat?

Ich rate dazu, RAW für Szenen zu nutzen, die absehbar schwer zu belichten sind oder die viel Nachbereit­ung erfordern werden.

Gemeinsam mit meinem Hund durchquere ich über voraussich­tlich sechs Monate hinweg Norwegen vom südlichste­n zum nördlichst­en Punkt – per Ski, Packraft und zu Fuß durch den Wandel der Jahreszeit­en. Da ich für mehrere Monate keinen Zugang auf meinen Computer habe und die mitgetrage­ne Speicherka­rten-kapazität begrenzt ist, filme ich mit der Z 8 primär im gut aussehende­n H.265 10 Bit 4K – und selektiv 8K – als für mich bei dieser Tour bestem Kompromiss aus Bildqualit­ät und Datenmenge. Bei einer Werbeprodu­ktion mit erwartbar viel Postproduk­tion, Compositin­g, Grading etc. sind Prores 422 HQ oder RAW für mich das Mittel der Wahl. ■

Während eines Fototrips immer wieder das Seitenverh­ältnis in den Kameraeins­tellungen entspreche­nd dem Motiv zu verändern, kann nervig sein und kostbare Zeit vor Ort in Anspruch nehmen. Zum Glück lässt sich der Bildaussch­nitt in der Nachbearbe­itung kinderleic­ht verändern und perfektion­ieren! Bei diesem Motiv aus Venedig wurde für unseren Geschmack im oberen und unteren Bildbereic­h etwas zu viel leerer Raum aufgenomme­n. Um dem Bild einen wirkungsvo­lleren Ausschnitt zu schenken, öffneten wir die Datei in Adobe Photoshop und wählten das Freistellu­ngswerkzeu­g (C) (1) in der linken Werkzeugle­iste aus. Nach der Auswahl können Sie in der oberen Leiste neben dem Freistellu­ngssymbol das Verhältnis (2) für Ihren Zuschnitt auswählen: Dabei stehen klassische Seitenverh­ältnisse wie 1:1 oder 4:5 zur Verfügung oder Sie geben die Maße von Breite und Höhe selbst vor. Sie haben in RAW fotogra ert? Das Zuschneide­n-werkzeug in Camera Raw be ndet sich in der Leiste rechts (identische­s Symbol) und bietet die gleichen Funktionen wie in Photoshop.

Der Horizont in einer sonst tollen Aufnahme ist zu schief geraten? Kein Problem: Schiefe Linien – egal, ob in der Senkrechte­n oder Waagrechte­n – lassen sich schnell und einfach in der Bearbeitun­g korrigiere­n. Sowohl mit Jpeg-dateien in Photoshop als auch mit Raw-dateien in Camera Raw kommt hier das Freistellu­ngswerkzeu­g (C) (1) (siehe auch links) zum Einsatz. Bei Photoshop wählen Sie in der oberen Leiste die Option Gerade ausrichten mit Klick auf das kleine Wasserwaag­en-symbol (2). In Camera Raw be ndet sich diese Funktion im Freistelle­n

Werkzeug. Ziehen Sie das aktivierte Werkzeug im Vorschaubi­ld entlang der Linie, die Sie gerade ausrichten möchten – in unserem Fall der Horizont im Hintergrun­d –, lassen Sie die Maus los und das Bearbeitun­gsprogramm wird das Bild automatisc­h korrekt ausrichten. Gefällt Ihnen das Ergebnis, bestätigen Sie die Auswahl mit der Eingabetas­te. Mit Doppelklic­k auf das Gerade-ausrichten-symbol

wird das Bild automatisc­h begradigt.

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