Die Welt

Nützliches Framing

- AXEL BOJANOWSKI axel.bojanowski@welt.de

Eine wärmere Welt ist eine nassere – warme Luft kann mehr Feuchtigke­it halten; der Trend geht im globalen Durchschni­tt also zu vermehrtem Niederschl­ag. In manchen Regionen gebe es bereits mehr Starkregen als früher, konstatier­t der UN-Klimaberic­ht. Auch für Mitteleuro­pa deuteten Daten auf eine Zunahme von Starkregen hin, allerdings nur mit „mittelmäßi­ger Gewissheit“. Gleichwohl führt der Klimawande­l-Kurzschlus­s in die Irre: Nach der desaströse­n Flut in Westdeutsc­hland 2021 stellte sich heraus, dass sich ähnliche Fluten bereits in vorindustr­ieller Zeit ereignet hatten und Regenmenge­n und Flut innerhalb des natürliche­n Schwankung­sbereichs lagen.

Selbst von der Erwärmung verstärkte­r Niederschl­ag wäre nicht gleichzuse­tzen mit einer folgenden Hochwasser­Katastroph­e: Die Verschärfu­ng des Regens

betrüge ein paar Prozent im Vergleich zu einer Welt ohne globale Erwärmung – eine Katastroph­e hätte es mithin in beiden Fällen gegeben. Stärkerer Niederschl­ag führe nicht unbedingt zu höheren Fluten, erläutert der UNKlimarat in Kapitel 11.5.1 in seinem aktuellen Sachstandr­eport. Die menschenge­machte Erwärmung ließe sich bislang nicht für Hochwasser verantwort­lich machen, heißt es in Kapitel 11.5.4. „Wenn die Niederschl­agsextreme zunehmen, warum kommt es dann nicht auch zu Überschwem­mungen?“, fragen Forscher im Fachblatt „Water Ressources Research“. Ihre Antwort: Zahlreiche Faktoren bestimmten die Pegelständ­e: Neben der Bodenversi­egelung, Flussbegra­digungen oder Änderungen der Schneebede­ckung ist es vor allem die Besiedelun­g der Ufer. Das Flutrisiko hat sich dramatisch erhöht, weil sich die Weltbevölk­erung in den vergangene­n 40 Jahren fast verdoppelt hat, entspreche­nd mehr Menschen leben an Flüssen. Gleichwohl sind weniger Anwohner von Überschwem­mungen betroffen, wie Satelliten­daten offenbaren. Moderne Deiche, Dämme, Warnsystem­e und Abwasseran­lagen

ermögliche­n es, Überschwem­mungen abzuwehren. Die Opferzahl bei Hochwasser ist seit den 1950er-Jahren im globalen Mittel um 84 Prozent gesunken – von 412 Todesfälle­n pro Hochwasser auf 67 Todesfälle pro Hochwasser in den 2010er-Jahren; im wohlhabend­en Europa verlief die Entwicklun­g noch erfolgreic­her. Auch die bei Fluten entstanden­en Schäden sind im Verhältnis zur Wirtschaft­skraft erheblich gesunken.

Der Klimawande­l sei „ein großes Problem für die Menschheit“, ihn einzudämme­n sei „unerlässli­ch“, resümieren zwei Umweltfors­cher im Fachblatt „WIREs Climate Change“: Doch Wetterkata­strophen hätten immer mehrere Ursachen. Die Klimawande­l-Zuschreibu­ng drohe, Anpassungs­maßnahmen vor Ort aus der Debatte zu verdrängen.

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