„Kidulting“: Sind Spielzeuge auch für Erwachsene?
Le “kidulting” : les jouets sont-ils aussi pour les adultes ?
« Kidulting » : ce mot-valise composé des termes anglais « kid » (enfant) et « adult » désigne une nouvelle tendance internationale, qui voit des grandes personnes se passionner pour des jeux et activités traditionnellement réservés aux enfants. Le phénomène n’a pas échappé aux grandes marques, à l’instar de Lego, qui propose une gamme pour adultes. En très forte croissance ces dernières années, le marché des kidultes représente aujourd’hui des milliards d’euros.
Kurz nach 19 Uhr ist die Halle über einem Parkplatz am Hamburger Stadtrand wieder leer. Betriebsleiter Mathias Slotta macht einen letzten Rundgang durch den Indoorspielplatz Rabatzz. Noch vor einer halben Stunde tobten hier Kinder. An diesem Abend werden nur Erwachsene zu Gast sein. So einen Abend für Große gibt es im Rabatzz schon seit 17 Jahren, inzwischen steige die Nachfrage aber rasant, erzählt Slotta. Die Veranstaltung ist mit nahezu 700 Besuchern fast ausverkauft, der Eintritt kostet 15 Euro. Auf 3500 Quadratmetern und zwei Etagen warten ein Hochseilgarten, ein Kletterlabyrinth, Elektrokarts, Trampoline, eine Hüpfburg und eine Freifallrutsche. Eigens für den Erwachsenenabend aufgebaut: die Cocktailbar.
Die erwachsenen Kinder als Zielgruppe
2. Getrieben wird der Hype durch soziale Medien. Slotta bekommt häufig Anfragen von Influencern, die Drehorte für kurze Videos auf Instagram oder TikTok suchen. Viele RabatzzBesucher haben auf der Videoplattform von dem Abend erfahren, auch Alex, 29 Jahre. Auf der zweiten Etage steht der Sanitärtechniker aus Regensburg an einer Maschine, die durch
ein Gebläse Plastikbälle zum Schweben bringt. Was ihn an diesem ungewöhnlichen Hobby reizt? „Ich kann einfach Kind sein und denke nicht an die Arbeit“, sagt er.
3. Spielplatz-Events für Erwachsene werden derzeit überrannt. Ein Anbieter aus der Lüneburger Heide veranstaltet zweimal im Jahr ein Campingwochenende mit Nachtwanderung, Basteln und Gesichtsmalerei. Der Werbespruch dazu: „Ein Abenteuerspielplatz für das Kind in dir.“Die Kosten: mindestens 299 Euro.
4. Dem Trend hat die Marketingindustrie einen Namen verpasst: „Kidulting“, was sich aus den Wörtern „Kid“und „Adult“bildet. Die Freizeit- und Spielwarenindustrie hat die erwachsenen Kinder als Zielgruppe entdeckt. Die Unternehmen vermuten ein Milliardengeschäft – mit Events und klassischem haptischen Spielzeug. Das Marktforschungsunternehmen Circana schätzt den europäischen Markt für Erwachsenenspielzeuge im vergangenen Jahr auf 4,6 Milliarden Euro. In Deutschland hat das Geschäft mit Erwachsenen und größeren Kindern seit 2019 im zweistelligen Prozentbereich zugelegt. Der Verkauf von Spielzeug an jüngere Kinder hingegen stagniert seit 2019, was auch damit zusammenhängt, dass die Bevölkerung immer älter wird, gerade in Deutschland. Die Nachfragelücke schließen die Älteren.
Lego-Sets für Erwachsene
5. Zu den Pionieren des Kidulting zählt Lego. Das Unternehmen fragt auf seiner Website offensiv: „Sind Lego-Sets auch für Erwachsene?“Eine rhetorische Frage, lautet die Antwort doch offensichtlich: ja. Mit den Erwachsenen lässt sich eine neue, zahlungskräftige Klientel erschließen. Die Elterngeneration neigt dazu, für Puppen, Lego oder Sammelkarten für sich selbst mindestens genau so viel Geld auszugeben wie für ihre Kinder.
6. Thomas Panke, Besitzer des KlemmbausteinGeschäftes „Held der Steine“in Frankfurt am Main, betreibt einen gleichnamigen YouTubeKanal mit mehr als 800.000 Abonnenten. Etwa 80 bis 90 Prozent seiner Kundschaft seien Erwachsene, sagt Panke: „Lego ist noch sehr klein im Verhältnis zu den Möglichkeiten, die das Produkt im Markt hat.“Die Zeitspanne, in der Kinder mit Lego spielen, werde nach seiner Erfahrung immer kürzer, „daher setzen alle Hersteller auf die Erwachsenen“.
7. Längst richten die Spielwarenkonzerne Design und Marketing gezielt auf die Älteren aus. Lego-Sets für Erwachsene kommen nüchterner daher. Man kann sie im Büro, im Hobbykeller oder im Wohnzimmer präsentieren.
Die Themen: Geschichte, Baudenkmäler und Technik. Es gibt Bausätze für das Überschallflugzeug Concorde, für Pyramiden oder das Kolosseum. Sie sollen Eindruck schinden – und bestehen meist aus mehr Bausteinen als die üblichen Kinder-Sets.
8. Auch die Spielfigurenhersteller Hasbro und Mattel setzen auf eine reifere Kundschaft. Neben Marken wie „Hot Wheels“, deren Spielzeugautos und Rampen ohnehin viele Erwachsene sammeln, gibt es eine eigene Produktreihe für Kidults und Sammler. Derzeit im Angebot: Puppen aus dem Barbie-Film. Man versuche, popkulturelle Trends durch Markenpartnerschaften aufzuneh
men und zu erschaffen, sagt eine Unternehmenssprecherin. Konkurrent Hasbro macht mittlerweile 40 Prozent seiner Umsätze mit Erwachsenen.
Die Gemeinschaft der „Disney Adults“
9. Auf noch höhere Quoten kommt das Medienimperium Disney. Bereits 1963 sagte Firmengründer Walt Disney, seine Freizeitparks lockten viermal mehr Erwachsene an als Kinder. Bis heute können sich vor allem die Älteren für Micky, Donald und Goofy begeistern: In Disney World in Orlando lag der Anteil der erwachsenen Besucher, die nicht in Haushalten mit Kindern leben, schon 2018 bei über 60 Prozent.
10. Eine 31-Jährige ist auf YouTube unter dem Namen
Moni Mouse bekannt. In ihren Videos läuft sie mit Micky-Maus-Haarreif durch das Disneyland in Paris – und berichtet von neuen Sammelkarten oder Shows. Seit 2018 besitzt sie eine Dauerkarte, jeden Monat fährt sie nach Paris. Fast 9000 Follower hat sie. Mittlerweile kann Moni Mouse die Kosten für ihr Hobby fast vollständig aus Werbeeinnahmen finanzieren – bis zu 350 Euro im Monat für Reisekosten und Hotel, dazu die Jahreskarte für 700 Euro.
11. Was genau treibt die Erwachsenen in die Disney-Parks? Für Moni Mouse gibt es zwei Gruppen von Besuchern: Die einen interessierten sich nur für Wildwasser- oder Achterbahnen. Die anderen, wie sie selbst, wollten mit den Charakteren aus Entenhausen interagieren. Mit ihnen posiert sie für Fotos.
12. Für die Influencerin ist es eine Flucht vor dem Alltag. „Wenn ich den Park besuche, befinde ich mich in einer anderen Welt, einer heilen Welt.“Sie nennt dieses Gefühl die magische Blase: Ein Gefühl, das sie aus der Kindheit kennt. Schon damals schwärmte sie für Filme wie „Bambi“oder den „König der Löwen“. „Dann denke ich nicht daran, was sonst in der Welt so passiert.“
Abtauchen in alternative Welten
13. Marktforscherin Birgit Langenbartels vom Rheingold-Institut glaubt, dass das Abtauchen in alternative Welten mit dem steigenden Gefühl der Unsicherheit zu tun hat. „Die wahrgenommene Krisenpermanenz hat an unseren Grundfesten gerüttelt“, sagt sie. Das Spielen könne Erwachsenen ein Gefühl von Kontrolle zurückgeben. 14. Schon in der Coronapandemie flüchteten sich viele Menschen in nostalgische Gefühle, sagt Tim Wildschut, Psychologieprofessor an der University of Southampton. Wenn Menschen einsam seien, erinnerten sie sich oft an Personen, mit denen sie in der Kindheit viel Zeit verbracht haben – Brüder, Schwestern oder Eltern. „Die Unternehmen sind sich der Macht der Nostalgie sehr wohl bewusst, und sie nutzen sie ständig“, sagt Wildschut.
15. Tatsächlich sind Produkte, die Erwachsene an die eigene Kindheit erinnern, besonders erfolgreich – wie etwa Spielzeug aus dem „Star Wars“Universum. Da darf ein Lego-Raumschiff des Typs „Millennium Falcon“, bestehend aus über 7500 Teilen, schon mal 850 Euro kosten. Auch auf dem Gaming-Markt zieht der Nostalgietrend, die Industrie legt alte Konsolen wie Playstation 1, Sega Mega Drive oder Super Nintendo neu auf.
16. In einer Untersuchung fand etwa das Rheingold Institut heraus, dass Eltern ihren Kindern häufig Dinge schenken, die sie in ihrer eigenen Kindheit besessen haben oder gern besessen hätten. Ein Studienteilnehmer, erzählt Marktforscherin Langenbartels, habe früher sehr gern mit Lego-Steinen gebaut. Deshalb kauft er nun welche. Sein Kind darf allerdings nicht mitspielen.