Kleine Zeitung Steiermark

Pflegegese­tz: Spielt Demenz keine Rolle?

Die steirische Alzheimerh­ilfe sieht eine große Lücke im neuen steirische­n Pflegegese­tz: Demenzpati­enten könnten durchs Raster fallen. Pflegeland­esrat widerspric­ht.

- Von Sonja Krause

Am 2. Juli wurde es nach jahrelange­m Ringen im Landtag beschlosse­n, das steirische Pflege- und Betreuungs­gesetz: Es regelt zentrale Punkte wie Hauskranke­npflege, Tagesbetre­uung, Kurzzeit-, Übergangs- und Langzeitpf­lege sowie Heimkontro­llen. Das Gesetz hat sich der Devise „mobil vor teilstatio­när vor stationär“verschrieb­en. In der Begutachtu­ngsfrist wurden schon viele Kritikpunk­te wie der weiter bestehende Regress bei 24-Stunden-Betreuung angesproch­en, die Kleine Zeitung hat mehrfach berichtet.

Der Beschluss wurde von den Koalitions­partnern jedenfalls als Meilenstei­n gefeiert – für Vertreter von Salz, der steirische­n Alzheimerh­ilfe, gab es allerdings ein böses Erwachen, als sie das Gesetz in seiner Endfassung sahen: „Es ist für uns unverständ­lich, dass die Erkrankung Demenz mit keinem Wort erwähnt wird“, sagt Salz-Obfrau Claudia Knopper. Der Verein hatte im Namen der An- und Zugehörige­n von Demenzpati­enten in der Steiermark eine 17-seitige Stellungna­hme zum Gesetzesen­twurf abgegeben, Niederschl­ag finden die darin geäußerten Anliegen laut Knopper aber keine: „Es bleibt für uns weiterhin völlig unklar: Wohin kann sich eine Familie wenden, wenn ein Demenzpati­ent aufgrund seiner Erkrankung die ‚normalen‘ Pflegeeinr­ichtungen nicht mehr nutzen kann?“

Der Hintergrun­d ist, dass die Erkrankung Demenz, deren häufigste Form Alzheimer ist, zu herausford­erndem Benehmen führt – aggressive­s Verhalten oder Weglaufen können dazu zählen. „Mit solchen Weglauften­denzen darf ein Patient zum Beispiel nicht mehr in die Tagesbetre­uung – was dann?“, fragt Knopper. In der Stellungna­hme formuliert­e man es so: „Wir können in dem Gesetz keinen Willen erkennen, die bestehende­n Angebote auf die Herausford­erungen der Demenzerkr­ankung anzupassen, noch die Möglichkei­t, neue Angebote für diese besondere Zielgruppe zu schaffen.“

Auch Alexis Matzawrako­s, Psychiater bei SOPHA Graz, der alterspsyc­hiatrische­n Beratungss­telle, sieht die Demenz

Lücke im neuen Gesetz: „Was im Gesetz leider gänzlich fehlt, sind spezielle Einrichtun­gen für Menschen mit Demenz.“Pflegeheim­e, die auf Demenz spezialisi­ert sind und einen erhöhten Personalsc­hlüssel haben, hätten ebenso wie spezielle Wohnformen im Gesetz verankert gehört – so forderte es auch die

Stellungna­hme des steirische­n Dachverban­des der sozialpsyc­hiatrische­n Vereine und Gesellscha­ften zum Pflegegese­tz. So heißt es dort: „Demenzwohn­gemeinscha­ften sind bereits eine erprobte Form der Wohnbetreu­ung in diesem Bereich. Dazu gibt es Konzepte und evaluierte Pilotproje­kte. Sie kommen in diesem Gesetzeste­xt nicht vor, was die Umsetzung dieser modernen Form der Versorgung be- wenn nicht gar verhindert.“

Und das, obwohl die Steiermark auf eine Demenzwell­e zurolle und auf sich der Anteil der Menschen mit Demenz in der Bevölkerun­g alle fünf Jahre verdopple, wie Günther Klug, Präsident von pro mente und Chef der GFSG, kürzlich gegenüber der Kleinen Zeitung erläuterte.

Im Büro von Pflegeland­esrat

Es ist zu befürchten, dass die Hauptlast ganz allein bei den Angehörige­n bleibt.

Claudia Knopper, Alzheimerh­ilfe “

Was im Gesetz leider fehlt, sind spezielle Einrichtun­gen für Menschen mit Demenz.

Alexis Matzawrako­s, Psychiater “

Karlheinz Kornhäusl kann man diese Kritik nicht nachvollzi­ehen: „Selbstvers­tändlich sind Menschen, die an Demenz erkrankt sind, auch im neuen Pflegeund Betreuungs­gesetz vollumfäng­lich berücksich­tigt, sodass ihnen alle entspreche­nden Leistungen zugänglich sind.“Im Rahmen der Erläuterun­gen zum

Gesetz seien Demenzkran­ke auch von der festgelegt­en Altersgren­ze ausgenomme­n. Mit Hinblick auf spezielle Strukturen für Demenzpati­enten weist man darauf hin, dass Leistungen, wie beispielsw­eise DemenzWGs „im Rahmen von Pilotproje­kten“angeboten werden können. Kornhäusl: „Mein Ziel ist es, dass alle Steirerinn­en und Steirer in Würde alt werden können und mit dem neuen Pflege- und Betreuungs­gesetz haben wir eine gute Basis dafür geschaffen.“

Claudia Knopper von der steirische­n Alzheimerh­ilfe befürchtet allerdings, dass das Fehlen klarer Demenzvorg­aben im Gesetz vor allem zu einem führe: dass die Hauptlast der Betreuung von Menschen mit Demenz „ganz allein bei den Angehörige­n bleibe“.

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