Sie bringen Licht ins Grazer Nachtleben
Wo gefeiert wird, passiert auch viel Negatives. Das Team von awaGraz kämpft dagegen an: mit Lichterketten und offenen Ohren.
” Wir sind keine Partypolizei. Alle haben das Recht zu feiern.
Adrian Lepuschitz awaGraz “
” Auf Zeltfesten könnten wir wohl am meisten erreichen.
Sarah Kampitsch awaGraz “
Was uns eint, ist die Liebe zum Nachtleben“, sagen Sarah Kampitsch und Adrian Lepuschitz. Gerade aus dieser Liebe heraus wollen sie es noch besser machen – die beiden sind im Kernteam des Vereins awaGraz, der Awarenessarbeit im Club- und Veranstaltungskontext anbietet. Denn sichere Orte gibt es im Nachtleben nicht: Überall, wo gefeiert wird, wo viele unterschiedliche Menschen aufeinandertreffen, wo Alkohol und auch Drogen konsumiert werden, da finden – oft von den meisten unbemerkt – auch Übergriffe statt. Frauen werden angegrapscht und belästigt, queere Personen, Menschen mit Behinderung oder anderer Hautfarbe blöd angeredet oder gar angegriffen.
Schon Begriffe wie „jemanden anschmusen“zeigen, wie übergriffiges Verhalten oft verharmlost wird. Eine Studie zum Wiener Nachtleben der Vienna Club Commission ergab, dass in der Bundeshauptstadt 65 Prozent mindestens einmal Diskriminierung, Belästigung oder einen Übergriff erlebt haben. „Die Menschen sollen diese negativen Erfahrungen nicht mit nachhause nehmen“, sagen Kampitsch und
Lepuschitz. Deshalb bieten sie mit ihren Kolleginnen und Kollegen ihre Hilfe vor Ort an: ein offenes Ohr, eine helfende Hand. Eine erste Anlaufstelle bei Diskriminierungen im Nachtleben.
Meist mit Lichterketten als Erkennungszeichen ausgestattet, ist man in Zweierteams bei Konzerten oder Clubveranstaltungen unterwegs, etwa im Forum Stadtpark, im SUb oder gerade erst bei den Abendveranstaltungen der Diagonale. Wenn awaGraz auf einem Event vertreten ist, zeigt man das auch in Form von Plakaten und Flyern vor Ort. Aufgedruckt ist auch eine Art Verhaltenskodex zum fürsorglichen Feiern – dabei geht es unter anderem um Verantwortung, einvernehmliches Handeln und respektvollen Umgang. Auch eine Handynummer gibt es, unter der während der Veranstaltung immer jemand aus dem Team erreichbar
ist.
Wie man im Fall eines Vorfalls vorgeht, ist klar definiert: Man stellt sich an die Seite der betroffenen Person, glaubt ihr und steht ihr zur Seite. Man überlässt es der Person, selbst zu benennen, was vorgefallen ist und zu beurteilen, wie man vorgehen sollte oder könnte. „Wir zeigen nur die Möglichkeiten auf“, sagen Kampitsch und Lepuschitz. Dabei würde man auch Begrifflichkeiten wie „Täter“und „Opfer“vermeiden – denn beim „Opfer“würde so ein Begriff hängen bleiben, der „Täter“würde hingegen sofort in eine Abwehrreaktion gehen. „So geben wir der gewaltausübenden oder grenzüberschreitenden Person mehr Raum“, betont Lepuschitz.
„Wir sind keine Partypolizei“, stellt Lepuschitz klar: „Jeder und jede hat das Recht zu feiern.“Man will zur Verfügung stehen, anstatt sich aufzudrängen. „Wir machen so wenig wie möglich und so viel wie nötig“, lautet das Credo. Auch als Security versteht man sich keinesfalls – Awarenessarbeit passiere unabhängig davon und ergänzend.
Gegründet wurde awaGraz im Mai 2023 als gemeinnütziger und unabhängiger Verein von Menschen aus verschiedenen Kollektiven. Ein Teil der Arbeit besteht auch darin, Antidiskriminierungsworkshops für alle im Nachtund Kulturleben Tätigen anzubieten. Das Kernteam umfasst zehn Personen, rund 30 Personen rücken derzeit insgesamt mit Lichterketten und offenen Ohren ins Nachtleben aus. Verstärkung ist derzeit gerne gefragt.
Der nächste große Einsatz ist demnächst beim Lendwirbel (2. bis 5. Mai) geplant. Während im
deutschen Clubkontext Awarenessarbeit schon viel etablierter ist, gab es in Graz bislang nur vereinzelte Bemühungen. Das mache es derzeit auch noch schwierig, Förderungen für die Vereinsarbeit zu bekommen – etwa, um eine Person anstellen zu können. Bislang ist das Team noch im Aufbau, die Anfragen kommen derzeit noch eher von Veranstaltenden, die sich selbst mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Noch in ferner Zukunft wäre man aber auch für Zeltfeste oder Großraumdiskos offen: „Gerade an solchen Orten könnten wir am meisten erreichen“, sagt Kampitsch.
Und welche Pläne gibt es sonst für die Zukunft? „Dass wir eine positive Veränderung in der Gesellschaft hervorrufen“, sagt Kampitsch. Und Lepuschitz ergänzt: „Mein tiefster Wunsch wäre, dass wir uns einmal selbst abschaffen.“
Informationen
Als Awareness-Team (vom englischen Begriff für Bewusstsein, Achtsamkeit) bezeichnet man eine Gruppe von Personen, die auf Veranstaltungen Unterstützung gegen Diskriminierung, übergriffiges Verhalten und sexuelle Belästigung bieten soll.
Infos zu awaGraz auf Instagram @awaGraz oder per Mail: awagraz@mur.at. Aktuell sucht man Verstärkung: Vorkenntnisse werden nicht gebraucht, ein ausführliches Vorgespräch zur Motivation und ein ganztägiger Workshop sind aber Pflicht.
In Graz gibt es dazu u. a. auch Awarenessteams bei den „Fagtory“-Partys der RosaLila PantherInnen, auch Fridays for Future und das Theaterfestival spleen beschäftigen Awareness-Teams.