Die bittersüßen Fakten über Schokolade
Der Kakaopreis ist so hoch wie noch nie. Was dazu geführt hat und warum heimische Hersteller das in die Schokolade packen.
Der Kakaopreis hat sich in kurzer Zeit verdoppelt. „Wir liegen jetzt im März schon bei etwa 6000 US-Dollar für die Tonne“, sagt Bernhard Moser von Fairtrade Österreich. Gute Nachfrage trifft aktuell auf eine verknappte Menge in den weltweit wichtigsten Anbauländern, was die Erntemenge betrifft: Côte d‘Ivoire und Ghana in West-Afrika. Prognosen gehen mittlerweile von einem weltweiten Mangel von rund 500.000 Tonnen aus. Die Verknappung liegt, wie Moser erklärt, am ungünstigen Wetter in Côte d‘Ivoire und an Krankheiten, die die Kakaobäume heimsuchen, aber auch am illegalen Bergbau in Ghana, der ebenfalls Auswirkungen auf die Anbauflächen hat. „Und immer mehr Kakaobauern stellen um auf andere Früchte wie Cashew, Ölpalmen, Kautschuk – vor allem, weil das weniger aufwendig ist. Kakao ist ein sehr aufwendiges Produkt: von der Ernte
per Hand und dem Aufschlagen der Früchte bis zum Fermentieren und Trocknen. Am Ende bleibt den Bauern wenig Ertrag.“Wer nun vermutet, dass Bauern, die eine normale Ernte einfahren, generell von der aktuellen Situation profitieren, wird enttäuscht. „In Ghana und Côte d‘Ivoire setzt die Regierung die Kakaopreise fest – aktuell werden etwa 2700 US-Dollar pro Tonne bezahlt, weniger als die Hälfte von dem, was auf dem freien Markt erzielt wird. Die Ernte ist an Terminmärkten vorverkauft.“
in dem die Kakaobauern ihre Preise selbst festsetzen können und das aktuell auch nicht von Ernteausfällen betroffen ist, kommt gerade Julia Zotter von „Zotter Schokoladen“in der Oststeiermark zurück. Nach dem Besuch bei ihren (Fair-Trade-)Kooperationspartnern in Uganda sagt sie: „Der Kakao-Preis ist natürlich auch dort das Thema Nummer eins. In den vergangenen zwei, drei Wochen waren die Preissprünge massiv.“Bauern mit normaler Ernte bekämen derzeit den doppelten Preis für Kakao bezahlt, „was ja auch gut ist“. Im fairen Handel wollte man das ja auch immer. Sozialunternehmen, mit denen Zotter kooperiert, bezahlen Bauern normalerweise mindestens 20 Prozent über dem lokalen Marktpreis. „Unser Partner in Tansania, der bisher immer den besten Preis für Kakao in Tansania bezahlt hat, kann bei den aktuellen Preisen nicht mehr als acht bis maximal 10 Prozent aufschlagen“, schildert Zotter die Ausnahmesituation, in der sich die Preise für Basis- und Topqualität angleichen.
Aktuell würden Bauern etwa in Uganda – wenn die persönliche Beziehung zu Käufern fehlt – ihre Ernte einfach an den Meistbietenden verkaufen. „Das ist eine Herausforderung für den Preis, aber auch für die Qualität“, sagt Zotter. Weil die Bauern nicht wissen, ob sie in ein
paar Wochen noch genauso viel Geld für ihren Kakao bekommen wie jetzt, „wird der Kakao zum Beispiel zu früh geerntet“. Deshalb sei der Markt so unglaublich volatil, gerade wenn man gute Qualität möchte. Das Unternehmen Zotter verarbeitet pro Jahr 300 Tonnen Trockenkakao und fast die doppelte Menge an Kakaobutter.
Mit dieser Entwicklung kündigt sich eine Verteuerung der Schokolade im Handel an. „Wir rechnen uns gerade durch, wie es sich für uns ausgehen könnte, das Schwierigste ist dabei die Kakaobutter, die pro Kilo um 7 bis 10 Euro teurer geworden und in allen Produkten drinnen ist“, sagt Zotter. „Es kann sein, dass wir über den Sommer die Preise anheben.“Derzeit kostet die 70 Gramm-Tafel im Zotter-OnlineShop 4,30 Euro. „Ich wüsste keinen, der derzeit eine Preiserhöhung zum Spaß macht“, sagt die Unternehmerin.
Bei den großen Schokoladenherstellern klingt es ähnlich. Ein Sprecher von Ritter Sport meinte: „Ein Kilo Kakao ist drei
Euro teuer als noch vor einem Jahr. Was das für die Herstellungskosten einer 100-GrammSchokoladentafel bedeutet, die zwischen 35 und 70 Prozent Kakao enthält, kann sich jeder selbst ausrechnen, aber wir bewerten aktuell gesamthaft die Situation.“
Chef und Miteigentümer der Wiener Confiserie Heindl, ist lange im Geschäft. „In über 40 Jahren ist der Preis bei Kakao nicht so gestiegen“, schüttelt er den Kopf. Die üblicherweise im November anstehende Order für Kakao hat Heindl deshalb verschoben: „Bis zum Ende des zweiten Quartals sind wir eingedeckt. Ich hoffe, dass wir im April wieder zu besseren Preisen einkaufen können.“Heindl vermutet hinter dem rasanten
Preisanstieg auch Spekulanten. Sein Unternehmen verarbeitet rund 600 Tonnen Schokolade im Jahr, dafür sind bis zu 400 Tonnen (Fairtrade-)Kakao nötig.
Stefan Felber kauft für seine steirische Schokaladen-Manufaktur nicht den Kakao ein, sondern Schokoladenblöcke von der Lübecker Firma Lubeca und erlebt ein ähnliches Szenarium. „Für einen Contract für 20 bis 25 Tonnen Schokolade habe ich vor 20 Jahren 800 Pfund pro Tonne bezahlt, derzeit sind es 5600, im Dezember lagen wir bei 2400 Pfund“, sagt er. Und alle Prognosen würden darauf hindeuten, dass die Preise weiter steigen: „Gestern habe ich deswegen noch einen Contract für 10 Tonnen abgeschlossen.“Diese Verteuerung könne man niemals zur Gänze an die Kunden weitergeben, aber 10 Cent mehr pro Tafel seien ab dem nächsten Monat eingeplant: „Ich habe zum Glück noch einen Bestand aus einem alten Contract.“
Auch Heindl rechnet mit einem „leichten Anstieg“der Verbrauerpreise, was aber nicht allein zulasten des teureren Kakaos gehe. „Mit 1. April steigen die Löhne für Konditoren um 8,7 Prozent. Die Löhne machen ein Drittel unseres Umsatzes aus“, sagt Heindl. Im angelaufenen Ostergeschäft – es ist der zweitgrößte Umsatzbringer für Süßwarenhersteller nach Weihnachten – wirkt sich das noch nicht voll aus, die Ware liegt bereits in den Regalen.
Statista schätzt den Jahresumsatz der heimischen Süßwarenerzeuger (ohne Dauerbackwaren) 2024 auf rund 770 Millionen Euro. Österreicherinnen und Österreicher verdrücken jährlich im Schnitt acht Kilo an Süßem, davon zwei Kilo Tafelschokolade. 2023 kletterte Heindls Umsatz um zehn Prozent auf den Rekordwert von 27 Millionen Euro. Er baute die Vertriebswege in Deutschland erfolgreich aus – und: „Der Tourismus ist wieder voll da.“