Hohe Investitionen gegen die Unwucht
In der Ostregion streichen die ÖBB Verbindungen im Nahverkehr. Es fehlt an Zügen und Personal. Warum Milliarden investiert, Engpässe aber bleiben werden.
Um täglich 50 Züge reduzieren die ÖBB ihr Angebot im Nahverkehr. Die Maßnahme, die „zur Erhöhung der Pünktlichkeit und Verlässlichkeit“führen soll, gilt seit Montag und „jedenfalls bis Ostern“in Wien und Niederösterreich – und ausschließlich dort, versichern die ÖBB auf Nachfrage. Übervolle Züge, Verspätungen und Zugausfälle hatten zu einer Beschwerdeflut geführt. Die ÖBB machen dafür die verspätete Lieferung neuer Züge verantwortlich, bestätigten in mehreren Medienberichten aber auch personelle Lücken in der Instandhaltung.
„Wir haben seit Längerem schon mit massiven Rückständen zu kämpfen“, erklärte der Regionalmanager für die Ostregion, Christoph Hermann, im Jänner. Daher nun die Rücknahme des Angebots um 1,9 Prozent (50 von täglich 2700 Nahverkehrszügen).
Ob die Besserung tatsächlich so schnell eintreten wird, wie von den ÖBB erhofft, ist fraglich. Die Probleme, wie sie zuletzt in Wien und Niederösterreich vermehrt auftraten, kennen Bahnfahrer in ganz Österreich. Die erfreuliche Seite der Medaille: In den letzten Jahren eilte die Bahn von Fahrgastrekord zu Fahrgastrekord. Die Kehrseite: Die Zugflotte wächst nicht in derselben Geschwindigkeit wie die Nachfrage. Ärger ist vorprogrammiert.
Immer wieder verweisen die ÖBB auf ihr Beschaffungs- und Investitionsprogramm im Gesamtvolumen von 6,1 Milliarden Euro. Aktuell sind 300 neue Züge bestellt. Doch die Zugproduktion dauert lange; so werden Railjets, die die ÖBB 2018 geordert hatten, in diesem April geliefert, wie Sprecher Bernhard Rieder verdeutlicht. Das Programm sehe bis 2030 „mehr als 100.000 moderne Sitzplätze“vor, so Rieder, ein Zuwachs um 50 Prozent im Fernverkehr.
Dazu zählen etwa 33 Nightjets der neuen Generation (die ersten neun sind im Einsatz). Für 2025 sei die Lieferung 27 moderner Züge für den inneralpinen Verkehr (unter anderem für GrazLinz und Graz-Salzburg) avisiert. Ab 2026 sollen laufend neue Doppelstockzüge von Stadler
für den Nahverkehr kommen, insgesamt 109 Stück. Für den Fernverkehr wurden 14 RailjetDoppelstockzüge bestellt, im Einsatz ab 2026.
Aus einem Rahmenvertrag mit Siemens Mobility orderten die ÖBB außerdem 70 Triebwagen. Allein dieser Auftrag umfasst 800 Millionen Euro. Es handelt sich dabei um die Nahund Fernverkehrszüge der Baureihe Mireo, die, so Siemens Mobility, ab Ende 2027 in drei Varianten ausgeliefert werden. Direkt
profitiert vom Großauftrag das Siemens-Kompetenzzentrum für Fahrwerke in Graz.
Groß ist bei den ÖBB nicht nur der Bedarf an neuen und zusätzlichen Wagen. In den nächsten Jahren wechselt ein Fünftel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der ÖBB in den Ruhestand. 17.500 Jobs werde die Staatsbahn insgesamt auf dem österreichischen Arbeitsmarkt anbieten, betonte zuletzt ÖBBChef Andreas Matthä, davon allein in diesem Jahr 3500.