DREI FRAGEN AN
1 Die erste Reise als neue Caritas-Präsidentin führte Sie in die Ukraine. Was hat am meisten Eindruck hinterlassen?
NORA TÖDTLING-MUSENBICHLER: Zu sehen, was in einem Land, in dem aktuell Krieg herrscht, Entwicklungsarbeit tatsächlich bedeutet. Was es heißt, wenn es ständig Luftalarm gibt, Sirenen die neue Schulglocke und der Bunker der Spielplatz ist. Es war ermutigend zu sehen, was unsere Partner vor Ort leisten, obwohl alle Helferinnen und Helfer ja selbst vom Krieg betroffen sind. Darum war es mir wichtig, ihnen unsere Unterstützung zu zeigen. Die Solidarität aus Österreich gibt ihnen Kraft.
2 Wie geht es den Menschen nach zwei Jahren Krieg und was wird am dringendsten benötigt?
Nach dem ersten Schock zu Kriegsbeginn und der kurzen Hoffnung auf ein baldiges Ende merken die Leute, dass das ein Marathon ist. Die Zuversicht schwindet, das hat man vor allem bei Leuten gesehen, die erst vor Kurzem ihr Haus verloren haben. Viele sind müde und angespannt. Die Ungewissheit darüber, wann der nächste Luftalarm kommt, ob die Kinder in Sicherheit sind – das alles macht was mit dir. Jetzt braucht es nicht mehr nur Nothilfe, sondern wir müssen den Menschen dabei helfen, resilient zu werden.
3 Während eines russischen Luftangriffs wurde auch ein Wohnhaus in Kiew getroffen, als Sie in der Stadt waren. Sie mussten einige Stunden in einem Bunker ausharren, wie ging es Ihnen damit?
Bis zum ersten Alarm war da eine Anspannung, man fragt sich: Wann kommt was? Als es so weit war, hatten wir das Glück, in einen gut ausgestatteten Bunker des Hotels gehen zu können. Während wir sicher und sogar komfortabel warten konnten, wurden draußen Menschen getötet. Das danach zu hören, führt den brutalen Kriegsalltag vor Augen.