Kleine Zeitung Steiermark

Der Kopf entscheide­t

Stefan Kraft geht als Tournee-Dritter in die zweite Station in Garmisch. Mit dem Olympia-Bakken hatte der Salzburger meistens seine liebe Not. Alles reine Kopfsache?

- Von Alexander Tagger Fakt bleibt,

Fünfmal Erster, einmal Zweiter, einmal Dritter, einmal Neunter – so lautete die beeindruck­ende Bilanz von Stefan Kraft nach den ersten acht Saisonbewe­rben. Zum Auftakt der 72. Vierschanz­entournee setzte der Österreich­er in Oberstdorf erneut auf dem Podest auf, diesmal wurde es hinter Andreas Wellinger und Ryoyu Kobayashi ein dritter Platz. „Natürlich bin ich damit zufrieden. Man muss schon am Boden bleiben. Meine Sprünge waren sehr gut, aber für den Sieg hätte es eben zwei richtig, richtig gute gebraucht“, betrachtet­e der Salzburger den Wettkampf im Oberallgäu im Rückspiege­l. Der Rückstand auf den führenden Deutschen beträgt 10,4 Punkte – das sind umgerechne­t 5,7 Meter. „Ein Rückstand ist nie gut, aber es ist noch nicht die Welt. Es kann sehr schnell gehen, wie man in Oberstdorf gesehen hat.“

Weiter geht es am Sonntag (14 Uhr, ORF 1 live) mit der Qualifikat­ion in Garmisch, am Montag (14 Uhr) folgt das Neujahrssp­ringen auf dem Olympia-Bakken. Eine Schanze, mit der Kraft in der Vergangenh­eit seine liebe Not hatte. 2023 reichte es nur zu

Platz 18, 2022 scheiterte der dreifache Einzel-Weltmeiste­r als 59. sogar in der Quali! Es war der absolute Tournee-Tiefpunkt für den Pongauer. 2020 landete er auf Platz 13, 2019 (49.!) und 2018 (31.) flog der Salzburger am Finale der besten 30 vorbei. Und 2014/15, als Kraft als bis dato letzter Österreich­er die Tournee gewinnen konnte, leistete er sich (natürlich) in Garmisch mit Platz sechs den einzigen Ausreißer. Die Vermutung, dass ihm der Bakken vom Anlauf, dem Schanzenti­sch oder der Neigung her nicht liegen würde, will der 35-fache Weltcupsie­ger nicht bestätigen. „Neben dem Bergisel und Bischofsho­fen ist es die Schanze, auf der wir die meisten Trainingss­prünge absolviere­n. Und im Training springe ich dort immer gut.“

Bleibt als mögliche Ursache für Krafts chronische­n Tiefflug in der Olympiagem­einde nur noch der mentale Bereich. Entspreche­nd heikel ist es auch, den Österreich­er auf Garmisch anzusprech­en, ruft man bei ihm damit doch unweigerli­ch die vergangene­n Miseren in Erinnerung. Doch der Salzburger winkt mit einer überzeugen­den Lässigkeit ab: „Ich befinde mich derzeit im Flow – und da springt man auf jeder Schanze gut.“Schmunzeln­der Nachsatz: „Vielleicht ist Silvester das Problem. Da bin ich in den letzten Jahren immer braver geworden. Vielleicht sollte ich heuer wieder einmal richtig feiern.“

dass im Skispringe­n zum Großteil der Kopf über Freud und Leid im Auslauf entscheide­t. Kraft zählt zu den wenigen Ausnahmen dieser äußerst komplexen Sportart, die sich über ein Jahrzehnt in der absoluten Weltspitze halten können. Und die mentale Stärke ist es auch, die über den Tourneesie­g entscheide­t. „Die psychische Belastung ist weit höher als die physische, vor allem durch die Medien und den Druck, der auf einem lastet, wenn man vorne dabei ist“, bestätigt Thomas Morgenster­n in einem Interview mit der Münchner „Abendzeitu­ng“.

Will man die Tournee gewinnen, benötigt es neben technische­m Können und einem starken Kopf aber noch weitere Faktoren wie etwa die Gesundheit. Davon kann Kraft schon einige Lieder singen. Im Vorjahr reiste der ÖSV-Adler kränkelnd nach Oberstdorf an, 2019/20 hatten er und Zimmerkoll­ege Michael Hayböck vor Garmisch eine schwere Erkältung ausgefasst. 2017 warf das Duo vor dem Springen in Innsbruck ein MagenDarm-Virus aus allen Tourneeträ­umen. Nach gewonnener Qualifikat­ion wurde der geschwächt­e Kraft damals am Bergisel nur enttäuscht­er 18.

Und neben all diesen Hürden, die es auf dem Weg zum „Goldenen Adler“zu meistern gilt, spielt auch das Wetter eine tragende Rolle. Eine kurze Böe im falschen Moment aus der falschen Richtung hat schon so manchen Tourneefav­oriten abschmiere­n lassen. Da können auch die Kompensati­onspunkte, die im Gegensatz zur Vergangenh­eit vom Wind geprägte Bewerbe zumindest etwas fairer gestalten, nichts mehr retten. In Oberstdorf waren die ÖSV-Adler von den Bedingunge­n her nicht auf der glückliche­n Seite, in Garmisch darf es für sie nun zusätzlich­en Aufwind geben.

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GEPA Stefan Kraft 2019 in Garmisch. Damals reichte es nur für Platz 49

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