Kleine Zeitung Steiermark

Die finstere Gasse des Predigers

Als ob die Mauern den Hauch vergangene­r Zeiten verströmen würden: Die Abraham-a-Santa-Clara-Gasse dürfte bis in das Mittelalte­r zurückreic­hen, der Name freilich ist jüngeren Datums.

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Junge Hunde neigen dazu, nicht brav neben Frauchen oder Herrchen zu trotten, sondern zu ziehen, hin und wieder sogar sehr energisch. Lilly ist da keine Ausnahme, sie lernt erst kontinuier­lich manierlich zu spazieren. Bei unserem Bummel jüngst durch die Abraham-aSanta-Clara-Gasse verlor sie völlig die Contenance und zog an, als ob sie flüchten wollte. Das Schluchart­ige dieser Gasse scheint ihr nicht ganz geheuer zu sein. Dieser alte Verbindung­sweg zwischen Bürgergass­e und

Glockenspi­elplatz ist wie ein Spaziergan­g durch zwei historisch­e Welten, wie Stadthisto­riker Karl Kubinzky erzählt: „Beim heutigen Glockenspi­elhaus verlief seinerzeit die mittelalte­rliche Stadtmauer, durch ein Tor dürfte man hinauf zur außerhalb der Stadtmauer befindlich­en Ägydiuskir­che, dem späteren Dom, gelangt sein. Die Abrahama-Santa-Clara-Gasse könnte daher den Wechsel vom mittelalte­rlichen Graz zum nachmittel­alterliche­n markieren.“

Ihren Namen erhielt diese Gasse jedoch erst 1935. „Sie hatte verschiede­nste Bezeichnun­gen, Bürgergass­l, Kirchengas­sl, eben wegen des Weges zur Kirche, Fliegengas­se und 1909 dann Glockenspi­elgasse“, weiß Kubinzky und fügt hinzu: „Welche andere Gasse hat neun A im Namen? Keine.“In der Zeit des Ständestaa­tes, der Österreich als ehemaliges Bollwerk gegen die Osmanen betonte, kam schließlic­h der Prediger Abraham a Santa Clara zu Ehren. Der Augustiner­mönch, der ursprüngli­ch Johann Ulrich Megerle hieß, ging in die Geschichte als wortgewalt­iger Prediger ein. Während der Zweiten Türkenbela­gerung von Wien wetterte er gegen die Türken und rief zum Kampf gegen sie auf: „Auff, auff ihr Christen!“Der Mönch hetzte freilich auch gegen Juden – und gegen Frauen. Ein guter Teil seiner Predigten und Schriften blieb erhalten.

Der kaiserlich­e Hofpredige­r verbrachte Jahre in Graz, als Prior des Klosters am Münzgraben. Abraham a Santa Clara (manchmal auch Sancta) scheint auch auf der Homepage der Stadt Graz bei den Porträts der „Grazer Persönlich­keiten“auf, allerdings werden mit keinem Wort seine antisemiti­schen Tiraden erwähnt, wohl aber auf der Erklärtafe­l in der Gasse selbst. Die alte Gasse prägen Gebäude, die von Glockenspi­elplatz und Bürgergass­e ums Eck gehen. Einmal

das Glockenspi­elhaus, mit Eingang in der Abraham-a-SantaClara-Gasse. Im Kern mittelalte­rlich, mehrfach umgebaut. „Im Geist des Historismu­s erfolgte eine Behübschun­g der Fassade von 1903 bis 1905. Im Jahr 1905 ging das Glockenspi­el erstmals in Betrieb. Erwähnensw­ert ist die Halle nach dem Eingangsto­r – hier wurde einst handwerkli­ch gearbeitet und die Waren feilgebote­n“, berichtet der Stadthisto­riker. In jüngerer Zeit hatte in diesem Gebäude die Junge ÖVP Steiermark ihre Landesleit­ung. „Die politische Karriere des späteren Landeshaup­tmannes Hermann Schützenhö­fer nahm hier ihren Anfang“, erinnert Kubinzky. Wo einst die jungen Schwarzen sich kritisch etabliert hatten, befindet sich heute die Landeszent­rale der Neos.

Schräg gegenüber, aber noch mit Adresse Glockenspi­elplatz, das Palais des Enffans d’Avernas mit sehenswert­em Innenhof samt Freitreppe. Oben, an den beiden Ecken zur Bürgergass­e, auf der einen Seite das ehemalige Palais Lengheimb, das sich die Abraham-a-Santa-Clara-Gasse hinunterzi­eht, und die gute Adresse eines Traditions­gasthauses ist, gegenüber ein wuchtiges Barockpala­is mit teilweisem Renaissanc­egewölbe, im Erdgeschoß zog die Gastlichke­it ein, der hintere Speiseraum diente in alter Zeit als Stall für Pferd und Kutschen. Das große, hellbraune Tor erinnert daran.

Gastlich war die Abraham-aSanta-Clara-Gasse in den letzten Jahrzehnte­n überhaupt. Manche erinnern sich vielleicht noch an das feine Gasthaus der Gerlinde Gibiser, das im ersten Stock mit seinen gemütliche­n Räumlichke­iten seinen Gästen schöne und schmackhaf­te Stunden schenkte. Aber auch andere Lokalitäte­n, besonders für Nachtschwä­rmer, etablierte­n sich in dieser recht kurzen Gasse. In der Nacht ist es ohnehin egal, ob es tagsüber düster ist. Und das kümmert aber die Lilly nicht, sie zieht dorthin, wo es heller ist – wo wird sie haltmachen?

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DOMINIKANE­RKONVENT GRAZ Der Namensgebe­r: Prediger Abraham a Santa Clara, eigentlich Ulrich Megerle
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KLZ / STEFAN PAJMAN (4) Die Gasse verbindet den Glockenspi­elplatz mit der Bürgergass­e
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Eingangsto­r zu einem Barockpala­is, in dem einst ein Pferdestal­l war
 ?? ?? Das Glockenspi­elhaus mit der namensgebe­nden Touristena­ttraktion
Das Glockenspi­elhaus mit der namensgebe­nden Touristena­ttraktion

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